Wild lebende und gemanagte Honigbienen und AFB

Sigrun Mittl, Dipl. Biol., Bienen-Dialoge.de, Dezember 2016, 2. korrigierte Fassung

 

  1. Wilde (wild) bzw. verwilderte (feral) Honigbienenvölker und die AFB

Die Amerikanische Faulbrut (AFB) ist eine der vielen möglichen Krankheiten, mit denen unsere Honigbienen zurechtkommen müssen. Viele Imker haben große Sorgen, dass durch die Wiedereinführung der Zeidlerei und die natürliche und naturnahe Imkermethodik die Völker zu einer Seuchenschleuder werden. Die Forschung zeigt, dass viele Krankheiten, die schon seit Tausenden von Jahren bei den Bienen nachgewiesen wurden, erst unter den heutigen Bedingungen von Bienenimporten, zu großer Völkerdichte an einem Standort und den heutigen Imkermethoden zum wirklich großen Problem geworden sind. Aber auch hier können wir aus der wissenschaftlichen Forschung interessante Ergebnisse lesen, die uns Hoffnung machen.

Genersch (2010) fasst die Forschungsergebnisse zusammen: „Unter normalen Imkerpraxis-Bedingungen ist die AFB hoch ansteckend, seit die Verbreitung der Krankheit durch das Austauschen von Beuten und Bienenmaterial zwischen Völkern, durch das Bewirtschaften zahlreicher Beuten in begrenzten Gebieten und durch den Handeln von Königinnen, Völkern („Paket-Bienen“) und Honig erleichtert wird“ [1] (Übersetzung durch die Verfasserin). In diesem Artikel erläutert sie auch die 4 bisher gefundenen Genotypen (exakte genetische Ausstattung) von Paenibacillus larvae, ERIC I-IV, die unterschiedlich virulent sind. Die virulenten Genotypen werden häufig als „aggressive Virenstämme“ bezeichnet.

Goodwin et al. (1994) trugen interessante Ergebnisse über AFB und verwilderte Honigbienenvölker zusammen: Bis 1957 wurden nur 3 Fälle von AFB in verwilderten Honigbienenvölkern dokumentiert, 2 in England und 1 in Australien. Sie schreiben weiter, dass Bailey (1958) von 100 wild lebenden Bienenvölkern aus Sussex (England) berichtet hat, die keine Anzeichen von AFB zeigten, obwohl AFB in Völkern in Imkerhand aus derselben Gegend nachgewiesen wurde. Aus Miller (1935) erfahren sie, dass von den vielen wild lebenden Völkern, die 1928 und 1929 in Michigan, U.S.A., getötet wurden, keines mit AFB infiziert war, obwohl 13% der Bienenvölker in Imkerhand in derselben Gegend infiziert waren. Die Forscher fanden in einer Studie (1993) in Neuseeland heraus, dass in 12,5 % der Bienenvölker in Imkerhand (Imker mit weniger als 50 Völker) Faulbrutsporen vorhanden waren. In einer darauffolgenden Studie wollten sie die Sporenlast in verwilderten Völkern untersuchen, verbunden mit der Frage, ob diese die Krankheit in von Imkern betreute Völker übertragen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass nahezu alle untersuchten wild lebenden Völker frei von AFB sind und die, die Sporen aufweisen (6,4% von 109 Völkern), nur eine niedrige Sporenladung aufweisen ganz im Gegensatz zu den untersuchten Völkern in Imkerhand, was sie zu folgender Aussage bringt: „Vielleicht haben die verwilderten (engl. feral) Völker ein größeres Risiko, sich mit AFB von Völkern in Imkerhand zu infizieren, als es andersherum der Fall ist“ und „Das geringe Vorhandensein dieser Krankheit in verwilderten Völkern deutet darauf hin, dass ein Großteil der AFB-Fälle, die von den beimkerten Völkern berichtet werden, auf die Imkertechniken zurückzuführen sind anstatt auf auf die Überkreuz-Kontamination von verwilderten Völkern“ [2] (Übersetzung durch die Verfasserin).

Hornitzky et al. (1996) waren an denselben Fragen interessiert wie Goodwin et al., nur dass sie in Australien forschten und auch Schwärme in den Blick nahmen. Sie kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Von 60 verwilderten Völkern enthielt nur 1 Volk Sporen von AFB und dieses Volk lebte in der Nähe von Imker-Völkern. Alle anderen 59 Völker lebten weit von Imker-Völkern entfernt, was sie zu der Aussage bringt, „…dass die Populationen der verwilderten Honigbienen ein unwahrscheinliches Reservoir von AFB für Bienen in Beuten darstellt“ [3] und beenden den Artikel mit folgenden Worten: „Die geringe B. larvae-Rate von verwilderten Kolonien und Schwärmen und das Fehlen von klinischen Symptomen in Schwärmen, die nach dem Einlogieren in Beuten B. larvae enthalten, läßt vermuten, dass Schwärme als eine sehr unwahrscheinliche Quelle für AFB in Völkern in Beuten darstellen. Jedoch kann es für Imker, die Schwärme einlogieren, vernünftig sein, diese für 6 Wochen in Quarantäne zu halten und zu beobachten, um sicherzustellen, dass ein möglicherweise mit B. larvae infizierter Schwarm keine klinischen Symptome der AFB entwickelt“ [2] (Übersetzung durch die Verfasserin).

Fries et al. (2006) haben erforscht, ob die Amerikanische Faulbrut an die Vertikale Übertragung gebunden ist und verglichen daher Bienenvölker (Muttervolk) und deren Schwärme (Töchter) im Hinblick auf Sporenbelastung, klinische Symptome und die Entwicklung dieser beiden Faktoren in Mutter- und Tochtervolk über die Zeit. Sie stellten zum einen fest, dass die Vertikale Übertragung der Faulbrutsporen von der Mutterkolonie zur Tochterkolonie stattfindet und zwar sowohl, wenn die Mutter nur Sporen von AFB aufweist als auch dann, wenn bei ihr schon klinische Symptome ausgebrochen sind [4].

Die weiteren Ergebnisse dieses Forscherteams lassen aufhorchen: „In Mutterkolonien mit klinischen Symptomen von AFB bleiben diese Symptome die ganze Saison hindurch erhalten, was sich in der hohen Belastung mit Sporen in den Bienenproben widerspiegelt. Die Sporenbelastung in den jeweiligen Tochterschwärmen dieser Kolonien jedoch verringert sich über diese Zeit in hohem Maße oder ist in manchen Fällen sogar nicht mehr nachweisbar. Überraschenderweise nimmt die Sporenbelastung von Mutterkolonien ohne klinische Symptome in derselben Zeit genauso weit ab wie die von den jeweiligen Tochterschwärmen trotz dessen, dass die Bienen auf den potentiell sporen-verseuchten Waben zurückbleiben. Es sollte auch erwähnt werden, dass Tochterschwärme von Muttervölkern mit klinischen Symptomen ihre Infektion schnell verlieren und keine klinischen Symptome entwickeln. Diese Ergebnisse weisen klar darauf hin, dass  Mengen der P. larvae, die in der Lage sind klinische Fälle der AFB zu erzeugen, nicht leicht zwischen Kolonien durch vertikale Transmission in einem natürlichen System übertragen werden. (…). Der Rückgang der Sporenmengen sowohl in Tochterschwärmen wie auch in den jeweiligen Muttervölkern weist darauf hin, dass Honigbienen häufig Infektionen überstehen oder dass sie manchmal keine sichtbare klinische Krankheit entwickeln, nachdem sie infiziert wurden. Die Aufrechterhaltung niedriger Infektionsgrade über mehrere Jahre ohne Krankheitssymptome deckt sich mit Daten von Honigproben (Hansen & Rasmussen, 1986). Dies erlaubt der AFB sowohl auf vertikale (durch Schwärme) wie auf horizontale Weise (durch Räuberei oder Verflug) verbreitet zu werden und das ohne klinische Krankheitszeichen. Es gibt keine Untersuchungen über die Übertragung von AFB in natürlichen Systemen. Trotzdem weisen erwachsene Bienen aus wilden Kolonien in Gegenden ohne Bienenhaltung selten nachweisbare Sporenmengen auf, während Schwärme in Gegenden mit Bienenhaltung oft mit AFB-Sporen infiziert sind (Hornitzky et al., 1996). Das geringe Vorkommen von AFB in wild lebenden Bienenvölkern und die hier vorgestellten Ergebnisse legen nahe, dass AFB in einem natürlichen System vorhanden ist, ohne klinische Symptome oder den Tod der Kolonien zu verursachen. […] Die extrem dauerhaften Sporen stellen fortlaufend infektiöses Material innerhalb einer Bienenkolonie bereit. Sogar wenn große Mengen von Sporen, die über Honig an die Bienenkolonien gefüttert werden, nötig sind, um klinische Krankheitssymptome zu erzeugen (Hansen et al., 1988), so ist der Schwellenwert für Infektion einzelner Larven sehr niedrig (Brǿdsgaard et al., 2000). Ausgehend von Sporen, die ihre Funktionsfähigkeit über Jahrzehnte behalten, produzieren zufällige Ereignisse von Zeit zu Zeit wahrscheinlich eine gelegentliche Infektion in einzelnen Larven. Wir stellen die Hypothese auf, dass dies eine Strategie des Parasiten sein könnte, um zu überleben und sich selbst im System der Honigbiene zu erhalten, möglicherweise parallel inaktiv in geeigneten Nistplätzen zu verharren. Diese Hypothese wird unterstützt durch die Tatsache, dass klinische Fälle von AFB niemals in Bienen südlich der Sahara (Fries and Raina, 2003) gefunden wurden, aber vom Vorhandensein der Sporen im Honig aus dieser Gegend berichtet wurde (Hansen et al., 2003). […] Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass das Problem mit AFB, das in Imkereien auftritt, zuallererst von den Imkerpraktiken abhängig sein kann, indem der Infektionsdruck erhöht und die Übertragungswege der Parasiten im System verändert werden“ [4] (Übersetzung durch die Verfasserin).

Eine weitere Imkerpraxis kann zum Ausbruch von Brutkrankheiten aller Art einschließlich der AFB führen: das zu frühe Aufsetzen von Honigräumen und das zu späte Einengen der Völker im Herbst. Das Verhältnis Bienenmasse-Waben/Raum ist dabei entscheidend. „Den richtigen Augenblick der Aufsatzreife zu treffen, ist für das weitere Gedeihen der Völker sehr wichtig; denn wenn der Honigraum vorzeitig aufgesetzt und von den Bienen nicht belagert wird, entzieht er dem Brutraum viel Wärme“, schreibt Zander [5]. Wenn die Bienen nicht die gesamte Brut wärmen können, tritt das gleiche Phänomen ein. Ein Kälteeinbruch im Frühling und zu kalter Bienensitz führt zum Zusammenziehen der Bienen in die Traube; Brut wird nicht mehr gewärmt und erleidet Kälteschäden bzw. den Kältetod. Das Prinzip Bienenmasse/Raum gilt auch für das Einengen der Völker im Herbst. Zander fordert: man müsse „sich davon überzeugen, ob Volksstärke und Wabenzahl  i m  r i c h t i g e n  V e r h ä l t n i s s e  stehen. Zwar darf die Anordnung der Waben im Brutneste vom Juli an nicht mehr geändert werden, aber die Zahl der Waben muß vor irgendwelchen anderen Maßnahmen dem Umfange der künftigen Wintertraube entsprechend so bemessen werden, daß je nach Beutenart etwa zwei Deckwaben sie auf den Seiten oder hinten schützen. Was darüber hinaus im Stocke hängen bleibt, fällt höchstens den Motten zum Opfer oder verschimmelt (…)“ [5].

Vor diesem falschen Verhältnis von Bienen und Raum warnt auch Ritter [6] bei einem Vortrag über die „Gute Imkerliche Praxis als Voraussetzung für gesunde Bienen“ und weist auf einen zentralen Punkt hin. Die Bienen haben die Fähigkeit, sich durch ein ausgeprägtes Hygieneverhalten selbst zu heilen, indem sie u.a. kranke oder verkühlte Brut ausräumen. Dieses Hygieneverhalten, das für die Gesundheit der Bienen von entscheidender Bedeutung ist, wird von vielen Faktoren beeinflusst, z.B. von Trachtangebot, Zucht/Selektion, Völkerführung und Verhältnis Volk/Raum. Wenn der Raum der Bienenbeute zu groß ist und die Bienenzahl zu gering, dann haben die Bienen je nach Innen- und Außenverhältnissen weniger Zeit, um alles zu putzen und befallene Brut auszuräumen. Die Zeit der Erweiterung der Beute ist nach seiner Aussage ein kritischer Zeitpunkt: „Der häufigste Grund für den Ausbruch von AFB und anderen Krankheiten ist ein zu frühes Aufsetzen oder Erweitern“ [6]. Ein wild lebendes Bienenvolk verändert seine Nestgröße variabel, baut nur so viele Waben, wie es braucht. Sollten Waben länger unbesetzt sein, schrotet die Wachsmotte sie ab. Honigbienen und Wachsmotten sind im Laufe der Evolution eine Symbiose zu beiderseitigem Nutzen eingegangen. Der Ausbruch von Krankheiten wird auf diese Weise verhindert. Die Kalkbrut ist ein Anzeiger dafür, dass das Hygieneverhalten nicht ausgeprägt ist. Die wichtigste Maßnahme ist nach der Entnahme solch einer Brutwabe, ein gutes Verhältnis Bienen/Raum durch den Einsatz von Trennschieden herzustellen, die variabel den Raum regulieren können [7]. Auch Zander hat seine Völker in seinen Original-Zanderbeuten mithilfe eines Schiedes geführt [5].

 

2. Geschichte und Ursachen der Verbreitung der Amerikanischen Faulbrut in Deutschland

Die Amerikanische Faulbrut (AFB) wird zu Recht von uns Imkerinnen und Imkern gefürchtet, da ihr Ausbruch zu großen Völkerverlusten führt. Daher wurden in den letzten Jahrzehnten große Anstrengungen unternommen, diese Brutkrankheit der Honigbienen in den Griff zu bekommen, was in Deutschland auch sehr gut gelingt. Die Bestrebungen mancher Imkerinnen und Imker, die „Zeidlerei“ genannte Waldbienenhaltung in Deutschland wiederzubeleben, lösen in Imkerverbänden und –vereinen naturgemäß große Sorgen im Hinblick auf die mögliche Ausbreitung der Amerikanischen Faulbrut durch die Wald-Bienenvölker aus. In dem zweiten Abschnitt dieses Artikels möchte ich deshalb die Geschichte der Amerikanischen Faulbrut in Deutschland und die Ursachen ihrer Verbreitung kurz darstellen und die Frage beleuchten, ob die damals noch im Wald vorhandenen, wild lebenden Honigbienenvölker von der Amerikanischen Faulbrut betroffen und daher von der Fachwelt als Ansteckungsherd, als „Seuchenschleuder“ angesehen wurden.

Die Amerikanische Faulbrut ist, wenn auch unter anderem Namen, schon seit Jahrtausenden als Brutkrankheit der Honigbienen bekannt. Nach Maasen (1908) gehen die Nachrichten über das Auftreten der Bienenkrankheit in Deutschland bis auf das Jahr 1568 zurück [8].  Schirach (1774) beschreibt diese Krankheit auch von wilden (Apis mellifera mellifera, Dunkle Biene!) gezeidelten Honigbienenvölkern [9]. Müssen wir deshalb davon ausgehen, dass diese die Ansteckungsursache für die beimkerten Hausbienen darstellen?

Hofmann (1904) hat Bienenzeitschriften von 1823-1860 ausgewertet und fasst die Ergebnisse zusammen: „Die berühmten Bienenzüchter (…) erklärten, die ansteckende Brutpest weder auf ihren eigenen Ständen noch in ihrer Gegend gefunden zu haben. In Thüringen war sie bis zum Jahre 1858 ganz unbekannt (…)“. (…). Erst, als vom Auslande Bienenvölker (…) eingeführt, in Fehljahren fremder Honig (besonders aus Amerika) zur Fütterung verwendet wurde (…), zeigte sich die Bienenbrutpest auf mehreren Ständen Bayerns und Deutschlands in bedrohlicher Weise“ [10]. Dzierzon hat ab 1852 die ersten Italiener-Bienen nach Deutschland eingeführt [11] und die beweglichen Rähmchen wurden 1852 von von Berlepsch erfunden. Die ersten staatlich verordneten Schutzgesetze in Mecklenburg von 1896 und Sachsen-Weimar von 1898 [10] zeigen, dass zu diesem Zeitpunkt die AFB zu einer wirklichen Bedrohung wurde.  Die Wissenschaftler Borchert, Maasen und Zander kommen zu den gleichen Schlussfolgerungen. Beginnen wir mit Borchert (1930): „Obgleich die Bienenzucht im Mittelalter stärker betrieben wurde als in der Neuzeit, war die Faulbrut damals allerdings verhältnismäßig nicht so stark verbreitet wie heutzutage. Der Grund hierfür ist hauptsächlich der, daß bei Ausübung des früher durchweg üblichen Stabilbaues die Seuche nicht so leicht von Volk zu Volk übertragen wurde als durch die verschiedenartigsten Manipulationen, die dem Mobilbau eigen sind. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts hat, bedingt durch die Hebung der Verkehrs- und Handelsverhältnisse, den erleichterten Austausch von Bienenvölkern und die Zunahme der Zahl der bienenwirtschaftlichen Betriebe, zweifellos auch die Seuche an Ausdehnung gewonnen“ [12].

Maasen (1908) ist der gleichen Ansicht: „Im allgemeinen gewinnt man jedoch bei Durchsicht der älteren Literatur den Eindruck, daß die Krankheit in früheren Zeiten auf den Bienenständen nur in begrenztem Maße zur Verbreitung gekommen ist, auch weite Gebiete nicht heimgesucht hat, und zwar augenscheinlich wegen der damaligen Betriebsweise der Bienenzucht und infolge des beschränkten Verkehrswesens. (…) Die ersten Angaben über eine Zunahme der Erkrankungsfälle in Deutschland stammen aus den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurde in den bienenwirtschaftlichen Zeitschriften darauf hingewiesen, daß sich die Faulbrut in besorgniserregender Weise überall ausbreite, seitdem man auf vielen Bienenständen die neue Betriebsweise mit den beweglichen Waben und das Italisieren (die Zucht der italienischen Bienen) eingeführt habe. (…) Im allgemeinen ist nicht zu verkennen, daß die Hantierungen beim Betriebe mit beweglichen Waben (Einhängen und Auswechseln der Waben und namentlich auch das Vertauschen der Waben bei der Honigernte) die Verbreitung der Seuche begünstigen“ [8]. 

Zander (1910) resümiert: „Heute darf man sich der Tatsache nicht mehr verschließen, daß für die Verbreitung der Bienenkrankheiten in erster Linie der Imker und nächst ihm in untergeordnetem Maße die Bienen verantwortlich zu machen sind. (…) Daran trägt fast immer der Imker selbst, bewußt oder unbewußt, die Schuld. Mit der Erleichterung des Verkehrs in unserer Zeit hat der Handel mit lebenden Bienen, Wohnungen, Gerätschaften und Bienenprodukten beträchtlich zugenommen. (…) Sehr oft werden Krankheiten durch Kauf oder Eintausch alter Waben, Gerätschaften oder Wohnungen eingeschleppt. (…) Ausnahmsweise kann die Seuche auch durch die Bienen eingeschleppt werden, wenn in ihrem Flugkreise ein widerstandsloses verseuchtes Volk steht, das sie zur Räuberei reizt. Mit dem geraubten Honig tragen sie dann auch die Krankheitskeime fort. Ist erst ein Volk angesteckt, so steht der Übertragung auf die übrigen Völker des Standes Tür und Tor offen. Dabei hilft abermals der Imker, verleitet durch die moderne Betriebsweise, fleißig mit. Obgleich es faulbrütige Völker immer gegeben hat, sind doch die Brutseuchen erst zu einer wirklichen Gefahr für die Bienenzucht geworden, seitdem der Mobilbau die Korbbienenzucht mehr in den Hintergrund gedrängt hat. Damit soll nicht dem Korb das Wort geredet werden, denn nicht die Betriebsweise an sich trägt die Schuld, sondern die durch den beweglichen Bau an den Imker herangetretene Versuchung, unnötig viel an seinen Völkern zu hantieren und zu probieren“ [13].

Der Faulbrutsachverständige und Lehrer Hofmann (1904) hat Hunderte von Völkern untersucht. Er konnte nicht verstehen,  warum auf dem „Bienenstande des Schlendrians gesunde Völker in den ungünstigsten Verhältnissen und auf den bestgepflegtesten Ständen plötzlich die Krankheit auftrete[n]“ und forschte nach weiteren Ursachen: „In all den Fällen, welche bisher zu meiner Kenntnis kamen, ließ sich das Auftreten der Bienenfaulbrut auf Einschleppung zurückführen. Eingeschleppt wurde die Krankheit aus dem Auslande durch den Ankauf von Völkern und Königinnen“ [10] Aber auch amerikanischer Honig, der von deutschen Konditoreien eingeführt wurde, wurde schon 1848 einem Imker zum Verhängnis [10].

Bei Maasen (1908) finden wir einen Hinweis auf wild lebende Völker und AFB: „Nach den Wahrnehmungen des Bienenzüchters P. Neumann in Parchim sollen nicht selten auch wilde, in hohlen Bäumen lebende Bienenvölker zur Verbreitung der Faulbrut beitragen“ [8]. Maasen hat dann auch in einem Wabenstück aus einem wild lebenden Volk die Kennzeichen der Amerikanischen Faulbrut festgestellt. In der Liste über die Verbreitungsweisen, die er aufgestellt hat, tauchen wild lebende Völker allerdings nicht auf [8].  Auch Zander hat eine solche Verbreitungsliste erstellt. Wild lebende Völker als Ursache finden wir auch hier nicht [13].

Borchert (1930) schreibt zum selben Thema: „Auch wild lebende Bienenvölker können angeblich von der Faulbrut befallen werden; ob sie aber für die Verbreitung der Suche auf die in Bienenwirtschaften gehaltenen Völker in Betracht kommen, ist nicht sichergestellt“ [12].

Hofmann (1904) macht sich sogar Sorgen um die wilden Honigbienenvölker: „Noch ist es Zeit. Warten wir jedoch länger zu, dann wird sich die Brutpest einbürgern, auch wildlebende Völker (wie wir sie in den Wäldern noch häufig finden) ergreifen und unserer Imkerei steht das Schicksal der englischen Bienenzucht bevor“ [12].

Neben den auch heute noch geltenden Hygieneempfehlungen legt Zander großen Wert auf Vorbeugungsmassnahmen: „Dazu gesellt sich als weitere Forderung einer zeitgemäßen Reform der Bienenzucht nach hygienischen Grundsätzen die individuelle Behandlung der Völker im Gegensatz zu der bisherigen kollektiven. Ich denke dabei an folgendes. Vor allen Dingen erscheint es mir unbedingt notwendig, jedem Volke nur solche Waben einzuhängen, die es selbst gebaut hat. Die Erfahrung lehrt mit aller Deutlichkeit, daß durch die wahllose Verwendung ausgebauter Waben ohne unser Wissen und Wollen gefährliche Krankheitskeime in gesunde Völker verschleppt werden. Im Stabilbau war das ganz unmöglich. (…) Außerdem sollte jeder Stock sein eigenes Futtergeschirr und andere Zubehörteile haben. Ganz zu verwerfen ist die Benutzung eines Abkehrbesens oder Gänseflügels für alle Völker, weil man damit Krankheitskeime nur zu leicht verschleppen kann“ [13]. Zudem weist er darauf hin, dass der Stockmeisel nach Benutzung und vor dem Einsatz im nächsten Volk abgeflammt werden muss.

Erstaunlich modern, wenn man bedenkt, dass wir aus der Forschung wissen, dass sich die Ansteckungskraft (Virulenz) von Krankheitserregern, seien es Milben, Bakterien oder Viren, bei horizontaler Verbreitung z.B. von Zugabe einer Wabe von einem Volk in ein zweites oder z.B. Verflug durch Reihenaufstellung erhöhen kann.

 

3. Fazit – Sind wild lebende Honigbienenvölker in freier Natur Seuchenschleudern?

Aus all den Untersuchungen, seien sie von früher oder heute, lässt sich klar eine Tendenz ableiten: Wilde (engl. wild) und verwilderte (engl. feral), also wild lebende Honigbienenvölker werden zu Unrecht als „Seuchenschleuder“ bezeichnet. Es scheint sogar so, dass Honigbienenvölker in Imkerhand dieses Prädikat eher verdienen. Weitere Forschungen, die Aufschluss über die Belastung von wild lebenden und gemanagten Völkern mit Sporen der Amerikanischen Faulbrut bringen, sind dringend notwendig, um die bislang ablehnende Haltung gegenüber wild lebenden Honigbienenvölkern (hoffentlich) revidieren zu können.

Literaturverzeichnis

[1] E. Genersch, „American Foulbrood in honeybees and its causative agent, Paenibacillus larvae,“ Journal of Invertebrate Pathology 103, pp. 510-519, 2010.
[2] R. Goodwin, A. Ten Houten und H. Perry, „Incidence of American foulbrood infections in feral honey bee colonies in New Zealand,“ New Zealand Journal of Zoology Vol. 21, pp. 285-287, 1994.
[3] M. Hornitzky, B. Oldroyd und D. Somerville, „Bacillus larvae carrier status of swarms and feral colonies of honeybees (Apis mellifera) in Australia,“ Australian Veterinary Journal 73 (3), pp. 116-117, 1996.
[4] I. Fries, A. Lindström und S. Korpela, „Vertical transmission of American foulbrood (Paenibacillus larvae) in honey bees (Apis mellifera),“ Veterinary Microbiology 114, pp. 269-274, 2006.
[5] E. Zander, Die Zucht der Biene – Handbuch der Bienenkunde in Einzeldarstellungen Band V, Stuttgart: Eugen Ulmer, 1944, 6. Auflage.
[6] W. Ritter, Gute imkerliche Praxis als Voraussetzung für gesunde Bienenvölker, Erlangen: Tagung Mittelfränkischer Imkertag der BIV Mittelfranken; Private Mitschrift der Verfasserin, 19.11.2016.
[7] W. Ritter, Gute Imkerliche Praxis als Voraussetzung für gesunde Völker, Erlangen: Mitschrift eines Vortrages durch die Verfasserin, 2016.
[8] A. Maaßen, Über die unter dem Namen „Faulbrut“ bekannten seuchenhaften Bruterkrankungen der Honigbiene, Berlin: Verlagsbuchhandlungen Paul Paren und Julius Springer, 1908.
[9] A. G. Schirach, Wald-Bienenzucht, Nach ihren großen Vortheilen, leichten Anlegung und Abwartung, Breslau: Verlag Wilhelm Gottlieb Korn; Johann George Vogel (Hrsg.), 1774.
[10] K. Hofmann, Die Bienenbrutpest oder Faulbrutkrankheit, Memmingen: Bayerischer Landesbienenzuchtverein (Hrsg.), 1904.
[11] F. Ruttner, Zuchttechnik und Zuchtauslese bei der Biene, München: Ehrenwirth Verlag, 7. Auflage, 1996.
[12] A. Borchert, Die seuchenhaften Krankheiten der Honigbiene, Berlin: Verlagsbuchhandlung Richard Schoetz, 1930.
[13] E. Zander, Handbuch der Bienenkunde in Einzeldarstellungen I. Die Faulbrut und ihre Bekämpfung, Stuttgart: Verlagsbuchhandlung Eugen Ulmer, 1910.

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