So wie es Hoch- und Tiefbau gibt, so gibt es auch einen Bienenbau.
Roland Sachs und ich haben dieses Wort in unserem Buch „Bienenbau & Bienenbeute“ definiert. In der Einleitung unseres Buches, die ich hier wiedergebe, führen wir in den Bienenbau ein. Sie finden weitere interessante Informationen auf unserer gemeinsamen Seite bienenbau.info. Unser Buch, welches am 10. Juni 2024 erscheint, können Sie in Kürze hier oder auch auf Bienenbau.info bestellen.
Einleitung: Die Wissenschaft vom Bienenbau
Wir besprechen in diesem Buch unter dem Begriff „Bienenbau“, welcher an sich die natürliche Bienenwohnung meint, auch die sich mit der Bienenwohnung befassende Wissenschaft. In Anlehnung an den Ingenieurbau und Fachbereiche des Bauingenieurwesens (Hochbau, Tiefbau, Grundbau etc.) umfassen wir so alle Themenbereiche, die sich mit naturwissenschaftlichen Zusammenhängen in und um die Bienenwohnung herum beschäftigen.
Schwerpunkt unserer Betrachtungen in diesem Buch sind die bauphysikalischen Prozesse zwischen dem Außenklima der Bienenwohnung und dem Kleinklima innerhalb der Bienenwohnung, bzw. genauer dem Kleinstklima in den Brutzellen des Brutnests. Mit „bauphysikalischen Prozessen“ sind analog zur Bauphysik im Häuserbau Wärme-, Gas- (insbesondere Wasserdampf) und Schalltransporte gemeint, die zwischen diesen Lufträumen getrennt durch die Konstruktion der Bienenwohnung und teils auch getrennt durch die Konstruktion des Wabenbaus und der Bienenkörper ablaufen.
Die Begriffe „Kleinklima“ und „Kleinstklima“ (oder auch „Mikroklima“) nutzen wir nach (wird bald eingefügt). Das Kleinstklima bezeichnet die klimatischen Bedingungen in kleinen Lufteinheiten, beispielsweise in offenen Zellen oder innerhalb von Bienengruppen in den Wabengassen. Dieses Kleinstklima wird von einzelnen Bienen gezielt reguliert. „Kleine Luftpartikelchen, deren Mikroklima von den Bienen mitgestaltet wird, befinden sich in einer dauernden unregelmäßigen Bewegung (= Turbulenz) wobei ihre Eigenschaften mit verpflanzt werden (Scheinleitung). Die Gesamtheit dieser Elementarvorgänge bezeichnet man als Massenaustausch.“ (113) Das Kleinklima der Bienenwohnung setzt sich zusammen aus der Vielzahl dieser mikroklimatischen Bausteine.
Der „Massenaustausch“, also die Bewegungen von Molekülen und kleinster Lufteinheiten, die zu einem Austausch von Gaskonzentrationen (auch Wasserdampf) und Wärme führen, ist ein wichtiger Bestandteil der für die Bienen notwendigen Lufterneuerung, der keine vollständigen Luftwechsel erfordert. Es findet laufend eine Lufterneuerung im Bienenstock durch das Flugloch auch ohne vollständige Luftwechsel statt.
Entscheidenden Einfluss auf die bauphysikalischen Prozesse zwischen Innen- und Außenluft haben das Klima der Außenluft (Temperatur, Luftfeuchte, Dampfdruck) und seine Schwankungen, die Eigenschaften der Bienenwohnung (Geometrie, Wandstärke, Material etc.) und das Bienenvolk selbst durch seine Anwesenheit und Tätigkeit (Abgabe von Wärme und Feuchtigkeit, Auslösen von Luftbewegungen etc.). Das Bienenvolk und seine Tätigkeiten stehen also den Einflüssen des Wetters auf der Außenseite gegenüber, getrennt von der Bienenwohnung. Diese Faktoren bestimmen das Kleinklima in allen Bereichen der Bienenwohnung. Am Flugloch kommt es zu einer Mischungszone, in der die klimatischen Bedingungen in der Regel Zwischenwerte von Innen- und Außenklima annehmen. Diese Mischungszone kann bei unbesetzten Wabengassen auch tief in den Wabenbau hineinreichen, beispielsweise im Winter bei einer zusammengezogenen Bienentraube. Grundsätzlich stellt sich das Kleinklima in den unbesetzten Wabenbereichen des Bienenstocks gemäß den physikalischen Gesetzen ein und wird eben auf der einen Seite von den mit Bienen besetzten Bereichen und auf der anderen Seite vom Außenklima beeinflusst. So werden beispielsweise auch die umliegenden nicht von Bienen besetzten Bereiche des Wabenbaus durch den Sitz der Bienen erwärmt. Die Imkerweisheit „Bienen heizen nur ihren Sitz und nicht die Beute“ ist nicht richtig und wäre ein physikalisches Kuriosum.
Die Bienenwohnung als Bindeglied zwischen den klimatischen Räumen (Außenluft und Bienensitz) hat entscheidenden Einfluss darauf, wie effektiv die Honigbienen das Kleinklima regulieren können und welchen Arbeits- und Energieaufwand (Honig) sie dafür einsetzen müssen. Sie trennt den von den Bienen regulierten Raum vom Außenklima und schützt den Innenbereich vor den verschiedenen Wettereinflüssen. Im besten Fall erleichtert sie den Honigbienen die klimaregulierenden Tätigkeiten und bewahrt sie vor jeglichen Überforderungen.
Es ist faszinierend, in welcher Vollkommenheit Bienen in der Lage sind, das Kleinklima innerhalb der Bienenwohnung zu regulieren, wenn die Bienenwohnung ihnen die Möglichkeit bietet, so wie es natürliche Bienenwohnungen immer getan haben. Insbesondere der den Bienenstock umgebende massive Wärmespeicher, der gemeinsame Nenner aller natürlicher Bienenwohnungen, sorgt für konstante Verhältnisse, innerhalb derer sie sich mit ihrem hausgemachten Wärmeschutz, dem Wabenbau, perfekt einrichten können. Darüber hinaus ist ihnen in solchen Bienenwohnungen teils sogar eine effektive Entfeuchtung der Stockluft möglich, selbst wenn die klimatischen Außenbedingungen sich dagegen sperren.
Die Temperatur- und Feuchteverhältnisse im Bienenstock sind eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. So kann zum Beispiel warme Luft mehr Feuchtigkeit tragen und verdunstendes Wasser erzeugt Kälte. Honigbienen nutzen diese gegenseitigen Abhängigkeiten geschickt für die Regulation des Kleinklimas: So tragen sie beispielsweise zum Kühlen des Bienenstocks Wasser ein und lassen es gezielt verdunsten. (116) Und sie beginnen unverzüglich zu heizen, um eine zu hohe relative Luftfeuchte zu bekämpfen.
„Es spielt sich also in den Wabengassen einer Bienenwohnung ein ständiges Ringen ab zwischen den klimaregulierenden Maßnahmen der Bienen, der Störung dieser Maßnahme durch das Wetter und dann wiederum der Abwehr der Bienen gegen etwaige dem Bienenvolk nicht genehmen Einflüsse.“ (wird bald eingefügt)
Insbesondere kleinklimatische rasch wechselnde Gegensätze machen den Bienen zu schaffen und können sie überfordern. Der Beutenbau mit der Gestaltung der Bienenwohnung bietet das beste Mittel die äußeren Klimaeinflüsse zu dämpfen.
Das Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge, insbesondere die Art und Weise wie Bienen das Kleinklima im Bienenstock regulieren, gibt uns die Möglichkeit, Bienenwohnungen zu konstruieren, die den Bedürfnissen der Honigbiene entsprechen und sie bei der Klimaregulation unterstützen und entlasten. Bei der Betrachtung der komplexen Zusammenhänge des Kleinklimas innerhalb der Bienenwohnung beginnen wir mit den klimatischen Bedingungen in der Außenluft, betrachten Wärmetransporte im Allgemeinen und im Bienenstock, besprechen dann die Gastransporte (insbesondere Wasserdampf), erklären die Klimaregulation der Honigbienen, zeigen den Einfluss der Eigenschaften der Bienenwohnung auf die Gesundheit der Honigbienen und kommen schließlich zu konkreten Hinweisen für den Beutenbau.