Deutschlands Bienengarten © 2. überarbeitete Fassung Mai 2017

„Deutschlands Bienengarten“©

Ein Beitrag zum Natur – & Kulturschutz

Skizzierung eines Modellprojektes zu Zeidlerei, Bienenforschung, Naturschutz und Umweltbildung im Sebalder und Lorenzer Reichswald bei Nürnberg

Historische Bienenzucht im Reichswald – Zeidelmuseum Feucht

Sigrun Mittl

Diplom-Biologin, Freie Bienenwissenschaftlerin, Naturimkerin

info@bienen-dialoge.de – www.Bienen-Dialoge.de

2. überarbeitete Fassung – Unveröffentlichtes Manuskript – Fürth – Mai 2017

(Hinweis: in der 1. Fassung Februar 2016 werden z.T. andere Inhalte thematisiert)

Einladung zur Entwicklung eines Modellprojektes

Die Bedrohung der Honigbienen bereitet den Menschen große Sorgen. Unsere Imkerinnen und Imker leisten wertvolle Arbeit für unsere Gesellschaft. Ohne die Imkerei wären heute viele Bienenvölker aufgrund vielfältiger Bedrohungen schon verschwunden. Obwohl die Bieneninstitute zusammen mit allen Imkerinnen und Imkern engagiert arbeiten, stehen wir an einem Scheideweg. Die Gesundheit und Vitalität der Honigbienen schwächelt. Was können wir tun?

Wenn wir uns bewusst machen, dass die Honigbiene von Natur aus ein wild lebendes Waldtier war, dessen Hauptvorkommen in Deutschland ursprünglich an die großen Waldgebiete gebunden war [1], was liegt dann näher, als die Honigbiene in ihr natürliches Umfeld zurückzubringen? Ein möglicher Ansatz liegt in der  uralten Imkereitradition der Waldbienenhaltung und dem Schutz und Förderung der wild lebenden (verwilderten) Honigbienen in den Wäldern.

In diesem Papier wird die Idee für ein Modellprojekt skizziert, das dem Schutz, der Förderung und der Erforschung der Honigbienen gewidmet sein soll. Verankert ist das Projekt in der Jahrhunderte alten Tradition der Zeidlerei im Reichswald bei Nürnberg, den Kaiser Karl IV. in einer Urkunde im Jahre 1350 als „unseres Reichs Pingarten“ [2]  oder des „deutschen Reiches Bienengarten“ [3] (Übersetzung des jeweiligen Autors) gewürdigt hat. Schirach plädierte schon 1774 dafür, die Wald-Bienenzucht in allen angestammten Gebieten wieder aufleben zu lassen: „ Nannte doch Kaiser Karl der IV. die beiden Nürnberger Wälder zu St. Sebald und St. Laurenz seinen und des heil. Röm. Reichs Bienengarten. Und so kann eine Grundherrschaft, die einen ansehnlichen Wald besitzt, und so glücklich ist, eine gedeyliche Waldbienenzucht anzulegen, seinen großen Wald einen wilden Bienengarten nennen“ [4]. Lange lag dieser Garten im Dornröschenschlaf.  Die Idee ist, ihn jetzt wiederzubeleben.

In diesem Bienengarten könnten Zeidlerei, Forschung, Naturschutz und Umweltbildung in einzigartiger Weise verbunden werden.

Ich möchte Sie dafür begeistern, ein in der Tradition verwurzeltes und weit in die Zukunft reichendes Natur- und Kulturschutzprojekt, eingebunden in wissenschaftliche Forschung und Umweltbildung zusammen mit vielen Mitspielerinnen und Mitspielern ins Leben zu rufen.  Dieses Papier versteht sich bewusst als Projektskizze. Wenn Sie sich angesprochen fühlen, lade ich Sie herzlich dazu ein, Teil eines Netzwerkes zu werden, das diese Idee in einem Modellprojekt verwirklicht.

1.      Die Honigbiene: ein Wildtier und Nutztier zugleich

1.1     Ist die Honigbiene Apis mellifera zuvorderst eine Wildbiene?

Eindeutig ja! Es hat sich seit einigen Jahrzehnten eingebürgert, zwischen Wild- und Honigbienen zu unterscheiden. Dabei ist diese Unterscheidung willkürlich und taxonomisch unbegründet [5]. Sie hat mit der Nutzung der Wildbiene in der Imkerei zu tun, wie wir später noch sehen werden. Die Honigbiene, die Carl von Linné 1758 beschrieb und benannte, war die in Mittel- und Nordeuropa verbreitete Nominatform „Apis mellifera mellifera“ Linnaeus 1758“. Die Wildbienen-Taxonomie zeigt ganz klar: Von der Überfamilie „Blütenbesuchende Bienen“ (Apoidea) gelangen wir über die Familie der „Echten Bienen“ (Apidae) zu der Unterfamilie der Apinae mit u.a. 3 Gattungen: Apis – Honigbienen, Bombus – Hummeln und Xylopa – Holzbienen usw. Zu der Zeit, als die Unterscheidung Wildbiene-Honigbiene eingeführt wurde, war die in Deutschland einzige einheimische Honigbiene, die Unterart Apis mellifera mellifera (Dunkle Biene) schon ausgestorben [6] [7]. Der behördliche Naturschutz und der ehrenamtlich geführte Naturschutz entstanden erst danach. So geschah es, dass beide diese Unterart nicht im Blick hatten. Die Honigbiene wird heute nahezu ausschließlich als Nutztier und mit der Imkerei in Verbindung gebracht. Dass sie ein Wildtier ist und in Deutschland ausgestorben, ist in Vergessenheit geraten.

Die Westliche Honigbiene Apis mellifera umfasst heute 27 anerkannte Unterarten, die in vier Gruppen eingeteilt sind.

Abb. 1: Eine Art, Apis mellifera, aber mit verschiedenen Unterarten. Aus mellifera.ch [8]. Mit freundlicher Genehmigung von mellifera.ch
Nach der letzten Eiszeit besiedelte die Dunkle Biene das ganze Gebiet nördlich der Alpen von den Pyrenäen bis zum Ural. Auswanderer nahmen die Dunkle Biene nach Nordamerika und Australien mit. Damit erreichte die Dunkle Biene um 1850 ihre größte Verbreitung:

Abb. 2: Ursprüngliches Verbreitungsgebiet der Unterart Apis mellifera sowie der anderen Unterarten der Art Apis mellifera, Westliche Honigbiene. Aus: Gerth (2009) [9]
Der berühmte Bienenforscher Friedrich Ruttner fühlte sich bemüßigt, in seinem 1992 erschienenen Buch „Naturgeschichte der Honigbienen“ sehr deutlich zu machen, dass die Honigbiene ein einheimisches Wildtier ist: „Wie töricht erscheint angesichts dieser Vorgeschichte die Diskussion darüber, ob die Honigbiene ein Element der einheimischen Fauna sei (…). Genauso wie edle Laubgehölze – Linde, Wildkirsche und Eiche – gehört die Honigbiene zur heimischen nacheiszeitlichen Lebensgemeinschaft der ersten Stunde (…)“ [7].

Die bekanntesten Unterarten und ihre Mischpopulationen, die heute in Imkerhand gehalten und gezüchtet werden, sind Apis mellifera mellifera (Dunkle Biene), Apis mellifera carnica (Kärntner Biene) und Apis mellifera ligustica (Italienische Biene). Ihre ursprünglichen Verbreitungsgebiete sehen wir auf folgender Karte:

Abb. 3: Ursprüngliches Verbreitungsgebiet von Apis mellifera mellifera, Apis mellifera carnica und Apis mellifera ligustica. Aus: Ruttner (1996) [6]

1.2     Die Wildbiene Apis mellifera als Teil des Ökosystems Wald

Für Ruttner (1992) gehören Wald und Westliche Honigbienen zusammen: „Als sich vor etwa 10 000 Jahren das Klima wieder erwärmte, wanderten die Wälder nach Norden und Osten und mit ihnen die Bienen. (…) Die Feststellung der ursprünglichen nördlichen Grenze des Vorkommens wilder Völker in den Wäldern ist deshalb so wichtig, weil man daraus auf die Grenze der Anpassungsfähigkeit schließen kann, die auch in vielen Jahrtausenden nicht überschritten wurde. (…) Keiner anderen Rasse (Unterart Apis mellifera mellifera; Anmerkung der Verfasserin) ist es gelungen, so weit nach Norden vorzudringen und die eisigen, langen Winter in den Wäldern Rußlands zu bestehen. (…) Und dieselbe Rasse war es, die Kolonisten nach Nordamerika und Australien mitbrachten, wo sie rasch von den unendlichen Wäldern Besitz nahm und ein Bestandteil der dortigen Wildfauna wurde“ [7].

Dass auch in Deutschland die Imkerei nicht ohne die wilden Bienenvölker aus den Wäldern, genauer gesagt, aus den vom Menschen überprägten Forsten, aufgebaut werden konnte, zeigen viele Schriften, wie die von Zander [10], Schirach [4], Wagner [11] Klose [12], Lotter [3] , Schier [13] und vielen anderen. Schier (1939) z.B. schwärmte von den „gewaltigen Wäldern des germanisch-slavischen Siedelgebietes“, die bis zur Einführung der modernen Forstwirtschaft um 1800 in viel stärkerem Maße Mischwälder mit ihrem Reichtum an Unterholz, Strauchwerk und Unkräutern waren und den wilden Bienenvölkern als Bienenweide dienten [13].

Der Forstbeamte Ruppertshofen schreibt in seinem Buch „Der summende Wald“ (1982): „Wir sehen die Jagd als eine notwendige Maßnahme im kombinierten biologischen Waldschutz, ohne die wir die übrigen Glieder des natürlichen Waldschutzes, wie Vogelhege, Ameisenhege, Fledermausförderung, Spinnenzucht und Rückführung der Honigbiene, nicht ausführen könnten. Der Naturschutz befaßt sich mit einzelnen Pflanzen, mit gefährdeten Tierarten. Aber diese sind in eine Umwelt gestellt, von der sie abhängen. Wir müssen also das Ganze sehen und im Zusammenschluß aller beteiligten Kräfte den grünenden, singenden, summenden Wald erhalten, ihn pflegen bzw. ihn neu schaffen“ [14].

Die Wiederbelebung der Zeidlerei und Wiederbesiedelung des Waldes mit wildlebenden Honigbienen waren nicht Gegenstand seiner Abhandlung.  Allerdings geht er ausführlich auf das Zusammenspiel von Wald-Ameise-Blattlaus-Honigbienen ein und betont die Wichtigkeit dieses Wirkgefüges für die Gesundheit des Waldes mit all seinen Lebensgemeinschaften [14]. Auch Lindauer (1955) beobachtete, dass Honigbienen ihre Nistplatzpräferenz u.a. nach der Anwesenheit von Ameisen ausrichten [15]. Ruppertshofen  erinnert an die wichtige Bedeutung der Höhlen in den Bäumen: „In unseren Urwäldern waren Naturhöhlen vielfach in Eichen zu finden. Sie bildeten sich dort, wo ein Trockenast ausfiel, wo Wassertöpfe im Baum entstanden. Die Spechte waren Baumeister solcher Höhlen, die dann auch von Eulen und Käuzen, Meisenarten, Trauerfliegenschnäppern, Gartenrotschwänzen, Kleibern, Staren, Wendehals und Wiedehopf bewohnt wurden. Im lebenden Baum hat eine Höhle eine lange Bestandsdauer. Dort, wo Bienen einziehen, ist durch die Austapezierung mit Kittharz eine fast unendliche Haltbarkeit gegeben“ [14].

1.3     Die wildlebenden Honigbienen, der Wald und die Zeidlerei früher und heute

„Die Zeidlerei gilt als einzigartige kulturelle Tradition auf Weltniveau“ [16]. Sie wurde überall dort betrieben, wo Honigbienen in Wäldern wohnten. Die großen Zeidelgebiete waren schon im Mittelalter die „riesigen Wälder Polens und Rußlands“ [7], und das Baltikum. Die Zeidlerei, wie sie im Nürnberger Reichswald betrieben wurde, ist nach Ruttner (1992) „der westlichste Ausläufer einer ausgedehnten, wirtschaftlich bedeutenden Waldimkerei“ [7].

Abb. 4: Verbreitungsgebiet der Zeidlerei im 15. und 16. Jahrhundert und Heutiges Gebiet der Zeidlerei Der Ural. Aus Kosarev (2016) [16]. Anm.d.Verfasserin: Die Karte müsste um die ehemaligen Zeidelgebiete Herzogenaurach, Amberg, Vilseck, Lochauer Heide, Görlitzer Heide, Thüringer Wald, Fichtelgebirge, Frankenwald, Nürnberger Reichswald etc. [17] ergänzt werden. Zudem wird heute in Polen auch wieder gezeidelt
Die Menschen holten schon in frühesten Zeiten den Honig aus den Höhlen der Honigbienen. Später schlug man künstliche Höhlen in geeignete Bäume und siedelte Schwärme darin an: „Die künstlichen Höhlen in den Zeidelbäumen wurden mit zugeflogenen Schwärmen aus den vorhandenen Wildpopulationen besetzt“ [7]. Schier (1939) beschrieb die Bedeutung der Bienenjagd und der Zeidlerei sehr treffend: „Sie war eine in jahrhundertelanger Erfahrung entwickelte Form der Waldnutzung, welche der Jagd, Fischerei und Schweinemast gleichwertig war“ [13].

Wagner (1895) schreibt in seinem Buch über das Zeidelwesen und die Forstpolitik: „Im Mittelalter wurden dem Wald eine Reihe von Produkten entnommen, die (…) einen bedeutend höheren Wert repräsentierten als das in grösster Massenhaftigkeit dargebotene Holz, das eines weiteren Transportes nicht fähig war. (…). Zu ihnen gesellte sich in manchen Waldgegenden Deutschlands besonders geschätzt und schwunghaft betrieben die Benutzung des Waldes auf Bienenprodukte, vielfach in der Form einer gewerbsmässigen Bienenhaltung in Waldbeuten, die sogenannte Zeidelweide. Aus dem gelegentlichen Finden wilder Immen im Wald und ihrer Okkupation herauswachsend, von einer Reihe von Einflüssen rechtlicher, sozialer und wirtschaftlicher Natur getragen, gestaltete sich die Zeidlerei im Lauf des Mittelalters zu einer höchst bemerkenswerten Institution im Wirtschaftsleben. Den überaus grossen Bedarf des Mittelalters an Bienenprodukten — vornehmlich den der Kirchen und Kloster an Wachs — vermochte, bei dem gänzlichen Fehlen von Surrogaten (Zucker und die feineren Beleuchtungsstoffe), die auf ziemlich primitiver Entwicklungsstufe stehende häusliche Bienenhaltung bei weitem nicht zu decken. Honig und der aus ihm hergestellte Meth, sowie das Wachs bildeten aber auch hervorragende Handelsartikel, die im damaligen Welthandel marktgängig waren (Hullmann, Städtewesen II, S. 110 ff.). So verschaffte die häufig vorkommende wilde Biene als Trägerin einer sehr hoch gewerteten Produktion dem Walde und seinem Nutzniesser eine Einnahmequelle, die zu den sichersten gehörte, die damals aus Waldbesitz flossen. Die Zeidelweide sehen wir daher des öfteren Gegenstand forstpolitischer Massnahmen seitens der Grundherrn und nachmals der Landesherrn werden. (…). Auffällig ist es immerhin, dass selbst in den neueren forstgeschichtlichen Werken das Zeidelwesen nur eine ziemlich dürftige Behandlung erfahren hat. Allerdings liegt hier ein Gegenstand vor, der ohne bedeutende Uebergriffe in andere Gebiete nicht erschöpfend behandelt werden kann, der aber eben deswegen ein nicht geringes Interesse bietet. Und wenn hier der Versuch gemacht wird, das Zeidelwesen und seine Ordnung auf grund des allenthalben zerstreuten Materials in umfassender Weise darzustellen, so geschieht das hauptsachlich in der Absicht, der Geschichte der Waldbenutzung und Forstpolitik einen Gegenstand zu vindizieren, der ihr ganz vorzüglich zugehört“ [11].

Von Schier (1939) erfahren wir auch etwas über die Bedeutung der Zeidlerei um Nürnberg herum: „Die ältesten urkundlichen Nachweise über das Zeidelwesen setzen im 8. Jahrhundert in Bayern und in der Ostmark ein. (…) Einen besonders wichtigen Mittelpunkt besaß das alte Zeidelwesen in dem Reichswald St. Sebaldi bei Nürnberg, wo allein 50 Zeidelgüter vorhanden waren. Die Zeidler von Nürnberg erhielten im Jahre 1350 von Karl IV. ein besonderes Privileg und ihre Betriebe nahmen einen so erfreulichen Aufschwung, daß Nürnberg bald des „Heiligen Römischen Reiches Bienenkorb“ genannt wurde und sich frühzeitig zur Stadt der Honig- und Lebkuchen entwickelte; das benachbarte Feucht wurde der Sitz eines besonderen Zeidelgerichtes“ [13]. Wegen der Reformation und der Einführung des Zuckers „befindet sich der Zeidelbetrieb Frankens seit dem 16. Jahrhundert in stetem Abstiege“ [13].

Abb. 5: Einige Zeidlerorte im Nürnberger Reichswald. Aus Wagner (1895) [11] Siehe auch Lotter (1870) [3]
Die Zeidlerei in Deutschland wurde vor wenigen Jahrhunderten beendet. Geblieben ist das Zeidelmuseum in Feucht, das einzigartige Schätze beherbergt und ausstellt.

Einzig die Zeidlerei im Ural kann auf eine jahrhundertelang andauernde Tradition zurückblicken [18] [16] (www.shulgan-tash.ru). Die dortigen Forstwissenschaftler und Zeidler geben heute ihr Wissen an polnische Kollegen weiter, die die Tradition der Zeidlerei in ihren angestammten Wäldern wieder aufnehmen und die Forschung über die Honigbienen sowie den Tourismus fördern (www.tradycyjne-bartnictwo.pl). Von dort wurden Kontakte mit deutschen Forstleuten und Imkern geknüpft. Die ersten Zeidlerworkshops und Bienenseminare (www.tree-beekeeping.org; www.freethebees.ch; www.mellifera.de) in Deutschland sorgen dafür, dass dieses Wissen aus Russland und Polen nach Deutschland weitergegeben wird. Das hat offenbar Tradition: „Als charakteristisch darf in dieser Hinsicht gewiss auch die Thatsache gelten, dass man einerseits in der allerfrühesten Zeit wirtschaftlichen Lebens in Deutschland, unter Karl d. Gr., und andrerseits bei der Ausgangs des vorigen Jahrhunderts betriebenen Neubelebung der Gewerbsthätigkeit jedesmal Bienenmeister aus den Slavenländern bezog. (Z. B. war Korsemka, unter Karl Theodor in Bayern Landbienenmeister)“ [11].

1.4     Die Honigbiene wird vom Wildtier zum Nutztier

„Die logische Weiterentwicklung der Bienenhaltung im Zeidelbaum ist die in der seitlich ausgehöhlten Klotzbeute“ [7]. Ruttner (1992) schreibt weiter: „Denn das Leben der Bienen in der früheren Imkerei, im Norden und Osten zunächst in Klotzbeuten betrieben, unterschied sich kaum vom Leben der Wildvölker im Wald. Die Anfänge der Imkerei bestanden vermutlich darin, von einem Bienenvolk bewohnte Abschnitte eines hohlen Baumes aus dem Wald in den Hausgarten zu holen“ [7]. Und er fährt fort: „ Hausbienen hießen im ausgehenden Mittelalter die Bienenvölker, die man in nahe dem Haus aufgestellten Klotzbeuten hielt, im Gegensatz zu den Waldbienen, die man in kunstvoll gehauenen Baumhöhlen im Wald betreute. Ihrer Abstammung nach sind beide natürlich dasselbe – aufgrund ihrer Paarung im freien Luftraum, auf gemeinsamen Drohnensammelplätzen, hat es bei der Honigbiene nie einen Unterschied zwischen „zahmen“ und „wilden“ Völkern gegeben. Selbst bei Anwendung der modernen Imkertechnik muß ein Bienenvolk noch heute aus eigener Kraft mit seiner natürlichen Umwelt fertig werden – abgesehen davon, daß diese Umwelt eben nicht mehr in jeder Hinsicht „natürlich“ ist. Denn zum einen fehlen in den Forsten hohle Bäume, die man durch Nistkästen ersetzen muß, zum anderen ist es notwendig zu füttern, weil sich die Flora verändert hat und der Imker seine Honigernte beansprucht. Wo genug Tracht vorhanden ist, können aus den Kästen der Imker stammende Schwärme auch heute noch auf sich selbst gestellt überleben“ [7].

Honigbienen wurden auch in Strohkörben gehalten. Schier (1939) beschreibt das so: „Die Bienenbäume und Klotzbeuten traten bereits um 1500 in dem fränkischen Landschaftsbild so stark hinter den Stülpern zurück, daß Albrecht Dürer auf seinen Bildern nur Strohkörbe verwendet“ [13].

Mit der Zeit wandelte sich die Bienenhaltung in die Imkerei, wie wir sie heute kennen. Dzierzon, ein Imker und Bienenzüchter, entwickelte 1852 die ersten Bienenkästen im Mobilbau, indem er einzelne Leisten (Oberträger) auf einen Kasten legte. Baron von Berlepsch entwickelte diese Oberträger dann zu Rähmchen weiter [19]. Bald darauf wurden die sogenannten Mittelwände erfunden, gewalzte Wachsplatten, die in die Rähmchen eingelötet wurden. Die Bienen wurden mit Zuckerwasser gefüttert statt ihnen ihren eigenen Honig für die Überwinterung zu lassen. Die Magazine wurden erfunden und die Imkerei entwickelte sich rasant. Ein reger Bienenhandel sowie die Einfuhr von nicht einheimischen Honigbienen-Unterarten veränderte das Bild der naturnahen und extensiven Bienenhaltung in Deutschland. Ruttner (1996) berichtet: „Seit 1852 J. Dzierzon die ersten Italiener-Völker nach Deutschland brachte (Apis mellifera ligustica; Anmerkung der Verfasserin) und bald danach die Massentransporte der „Kärntner Bauernkästen“ (Kärnter Biene, Apis mellifera carnica; Anmerkung der Verfasserin) nach dem Norden begannen, entstand überall in der „Landbiene“ (Dunkle einheimische Biene, Apis mellifera mellifera; Anmerkung der Verfasserin) ein sehr ungutes Rassengemisch (…)“ [6]. Die Erfindung der beweglichen Wabe und die Änderungen im Landbau (Späte Trachten und die Dreifelderwirtschaft verschwanden, Haupttracht verlagerte sich mehr auf das Frühjahr, Intensivierung der Landwirtschaft hatte Blütenarmut zur Folge) sieht Ruttner (1992) als die Hauptgründe für den Niedergang der Dunklen Biene.

Heute gibt es keine bekannten Vorkommen der wilden (wild) Dunklen Bienen in Deutschland mehr. Wenn wir heute in Deutschland von wilden Honigbienen-Völkern reden, so sind ausschließlich verwilderte (feral) Völker gemeint, also Schwärme von bewirtschafteten (managed) Bienenvölkern, die nicht vom Imker eingefangen wurden und in freier Wildbahn zu überleben versuchen; es handelt sich dabei um die sogenannte „Landbiene“, eine je nach Region mehr oder weniger stark vermischte Biene aus den drei Unterarten A.m.mellifera, A.m.carnica und A.m.ligustica oder der Reinzucht-Unterart Apis mellifera carnica. Diese verwilderten Schwärme sowie die Bienen in Imkerhand stehen im Mittelpunkt dieses Projektes.

Von einer naturnahen und extensiven Bienenhaltung (Zeidlerei, Klotzbeuten-Imkerei) ging die Entwicklung immer mehr in eine intensive Haltungsform über. Neben dem seit über 100 Jahren schwunghaften Bienen- und Königinnen-Handel quer durch die Welt werden unsere Honigbienen auch in Deutschland mit Zucker gefüttert, auf immer mehr Honigertrag gezüchtet und mit allen möglichen Medikamenten gegen alle möglichen Krankheiten wie z.B. gegen die Varroa-Milbe behandelt. Das hat natürlich Folgen. Dazu kommen blütenarme Landschaften, Pestizide und andere Faktoren, die die Gesundheit der Honigbienen schwächen. Heute ist die Art „Westliche Honigbiene“ und damit unsere „Landbiene“ bedroht. Wir müssen dafür sorgen, dass sich Honigbienen in den Wäldern „erholen“ und ihre Vitalität in natürlicherer Umgebung steigern können. Sollten wir irgendwann in die Situation kommen, dass wir massive Völkerverluste in unseren Imkereien hinnehmen müssen, wäre es dann nicht ein großes Geschenk, wie früher Schwärme von dann vielleicht gesunden Bienen, die im Zuge der natürlichen Auslese an Landschaft, Tracht und Varroa angepasst sind, aus dem Wald holen zu können? Denn wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Imkerei nur ausbilden konnte, weil die Imker gesunde, wilde Honigbienen aus den Wäldern holen konnten. Diese Quelle ist heute versiegt.

Abb. 6: Früher profitierten Forst Landwirtschaft und Imkerei von den wildlebenden Honigbienen im Wald Heute ist diese Quelle versiegt Mittl (2016) [20]

1.5     Wie geht es der Honigbiene heute? Braucht sie andere Methoden der Bienenhaltung?

Weltweit forschen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit Hochdruck. Die vielen Völkerverluste, die weltweit zu beobachten sind, haben Wissenschaft und Imker sehr beunruhigt. Worin liegen die Gründe für diese Verluste? Viele Tendenzen lassen sich aus den aktuellen Forschungsergebnissen  jetzt schon ableiten. So kommen De La Rúa et al. (2009) zu folgender Erkenntnis: „Immer mehr Faktoren wie veränderte Landnutzung, die Verbreitung von Krankheitserregern und Parasiten, der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden bedrohen die Honigbienen in Europa und gefährden damit auch die Funktion des Ökosystems durch eine unzureichende Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen“ [21].

In der Europäischen Roten Liste der Bienen widmen sich die Verfasserinnen und Verfasser u.a. speziell der Honigbiene. Sie listen den Einfluss der Bedrohungen auf, die wahrscheinlich die Ursache für den Verlust der wilden Honigbienen-Kolonien darstellen: Übertragung von Pathogenen und Parasiten von verwilderten und bewirtschafteten Honigbienen-Völkern auf wildlebende Völker, nachteilige Imker-Praktiken, Verlust von Trachtquellen und Nistmöglichkeiten, invasive fremde Spezies (andere Unterarten bzw. die Zuchtrasse Buckfast; Anmerkung der Verfasserin), das Fehlen von Schädlingsbekämpfung, und andere von Menschen verursachte Einflüsse wie die Verwendung von Agrochemie [22].

Doch auch die Imkerei muss sich die Frage stellen, ob ihre zunehmend intensive Bienenhaltung, die fast ausschließlich auf die Steigerung des Honigertrages ausgerichtet ist und hohe Völkerverluste nur mittels des massiven Einsatzes von Antibiotika und Organischen Säuren vermeiden kann, nicht zu immer weniger vitalen Bienen beiträgt.

Die aktuellen wissenschaftlichen Studien weisen darauf hin, dass die Honigbienen nicht nur durch die Varroa-Milbe geschädigt werden, die in aller Munde ist und als die einzige Ursache des Problems gilt [23] [24]. Über 30 Jahre haben sich  Wissenschaft und Imkerschaft auf die Bekämpfung der Varroa-Milbe konzentriert. Natürlich spielt die Varroa-Milbe, die in den 70er Jahren in Deutschland nachgewiesen wurde, zusammen mit den Viren, die sie übertragen kann, eine nicht unerhebliche Rolle im Hinblick auf die Bienenkrankheiten [25]. Aber Dr. Ritter weist in einem Vortrag im Rahmen einer Bienenkonferenz in Wien 2014 auf den dramatischen Anstieg der Behandlungshäufigkeit hin und zieht daraus einen sehr entmutigenden Schluss: Der Einsatz der Behandlungsmittel gegen die Milbe ist nach 30 Jahren eindeutig in eine Sackgasse geraten. Musste in den 1980iger Jahren das Bienenvolk nur 1x, und zwar im Winter, behandelt werden, so sind wir heute bei bis zu 4x und mehr angelangt [26].

Das zeigt, dass die Ursachen vielschichtiger sind. Die Forschungsergebnisse muss die Imkerschaft bestürzen, die doch mit viel Engagement und Liebe zu ihren Bienen zum Schutz der Honigbienen beizutragen glaubt. Fries et al. (2006) stellen fest: „Die Ergebnisse legen weiterhin nahe, dass das langjährige Problem der Bienenhaltung mit dem Milbenbefall vermutlich mit der Methode der Bienenhaltung zusammenhängt, bei der die Imker den von den Parasiten ausgehenden Selektionsdruck beseitigen, indem sie die Milben durch Behandlungsmittel entfernen“ [27]. Seeley & Smith (2015) [28] und Locke (2015) [29] kommen zu ähnlichen Einschätzungen. Dr. Ritter macht uns in einem Vortrag mit einer bitteren Wahrheit vertraut: „Wir haben es mit einem aus der Massentierhaltung bekannten Phänomen, einer „Infektiösen Faktorenkrankheit“ zu tun, die wir selbst provozieren [30]. „Als Faktorenkrankheit bezeichnet man Erkrankungen, die sich nicht genau einer Ursache zuordnen lassen, sondern für deren Auftreten mehrere begünstigende Begleitumstände erforderlich sind. Faktorenkrankheiten spielen vor allem bei Tieren in der intensiven Landwirtschaft eine Rolle. Bei infektiös bedingten Faktorenkrankheiten reicht die krankheitsauslösende Kraft (Pathogenität) des Krankheitserregers allein nicht aus, es sind meist überall vorhandene Keime. Es bedarf weiterer Komponenten, die zur Schwächung des Immunsystems führen. Dies können andere Infektionen, Stress, Mängel in den Haltungsbedingungen (Stallklima, Schadstoffbelastung der Luft, hohe Tierdichte, Zugluft, mangelhafte Reinigung und Desinfektion), sehr hohe Produktionsleistungen (Milchleistung, Fleischansatz), Fütterungsmängel und genetische Faktoren sein“ [31]. Auf die Honigbienen in Imkerhand übertragen könnten dies Stress, sehr hohe Produktionsleistung, Fütterungsmängel, Mängel in den Haltungsbedingungen, hohe Bienendichte in manchen Gegenden, Kleinklima in den Bienenbeuten, Schadstoffbelastung aus Landwirtschaft und aus Varroa-Behandlung, etc. sein.

1.6     Welche Auswege weist uns die wissenschaftliche Forschung?

Honigbienen leben seit 30 Millionen Jahren auf dieser Erde und haben im Zuge der natürlichen Selektion alle Bedrohungen und Herausforderungen gemeistert. Die Forschungsergebnisse, die ich in Kap. 1.5 angeführt habe, legen nahe, dass diese Kraft nachhaltig geschwächt ist. Es ist an der Zeit, neue Strategien zu finden, die unsere Honigbienen schützen und fördern.

Weltweit werden Bienenvölker der Westlichen Honigbiene beobachtet, die ohne jegliche Behandlung und ohne Zuckerfütterung überleben. Es handelt sich entweder um verwilderte Honigbienen, die in Wäldern eine neue Heimat gefunden haben oder um Völker aus aufgelassenen Bienenständen. Sie unterlagen der natürlichen Selektion und haben nach anfänglichen hohen Verlusten ein Gleichgewicht in Form von stabilen Populationen aufgebaut [32] [27]. [33] [34] [29] [35]. Das macht Hoffnung und könnte ein neuer Weg sein. Le Conte et al. (2007) schreiben wörtlich: „Diese Bienen könnten im Rahmen des integrierten Bienenmanagements in Frankreich von hohem Nutzen werden“ [33], was natürlich für alle Länder dieser Welt, die mit Bienenverlusten zu tun haben, gilt. Die Bienen sich selbst zu überlassen, scheint zu ihrer Gesundung sehr beizutragen.

Unsere „Landbiene“ zurück in die Wälder zu bringen, ist ein erster möglicher Weg. Die Beobachtungen weisen darauf hin, dass die aktuellen Imkermethoden ein Teil des Problems darstellen, wie in Kap. 1.5 dargestellt. Das führt uns zu einem zweiten möglichen Weg hin zu gesunden Bienenvölkern: die Imkerschaft kann eine zukunftsfähige naturnahe Bienenhaltung auf den Weg bringen, die so viele Stressfaktoren wie möglich von den Bienen nimmt und die Verbreitung von Viren und anderen Krankheitserregern innerhalb der Bienenstände so weit wie möglich unterbindet [36].

Seeley kommt zu den gleichen Ergebnissen und schlägt anlässlich eines Vortrags (Juni 2016 bei mellifera e.V.) über die „Zukunft der Biene“ folgende Wege vor: „Natürliche Selektion kann eine Menge Probleme beheben, insbesondere Krankheitsprobleme. (…) Aus diesem Blick in die Vergangenheit möchte ich also nun in die Zukunft schauen und einige Szenarien entwerfen, wie es um die Zukunft der Honigbiene bestellt ist. Es wird künftig drei Gruppen von Bienen geben: Bei der ersten handelt es sich um wildlebende Honigbienen, welche nicht gegen Varroa behandelt werden und daher eine Toleranz entwickeln können, sofern sie nicht mit behandelten Völkern in Kontakt sind. (…) Die zweite Gruppe sind die Völker von großen kommerziellen Imkereien. Hier wird behandelt. Trotzdem besteht die Möglichkeit, dass die Völker durch Zuchtprogramme tolerant gegenüber der Varroamilbe werden. Zur letzten Gruppe zähle ich die Bienenvölker, welche von Freizeitimkern gehalten werden, die ihre Völker nicht behandeln, weil sie den ökonomischen Schaden im Falle von Völkerverlusten verschmerzen können. Diese Gruppe zusammen mit der ersten, den wildlebenden Völkern, wird bestimmen, wohin es mit der natürlichen Selektion geht. (…) Nun, wo sehe ich die Zukunft der Biene? Zum einen bei wildlebenden Völkern durch natürliche Selektion, zum anderen in einer zukunftsfähigen, wie Ihr sie nennt, wesensgemäßen Bienenhaltung. Das ist die Zukunft“ [37]!

Prof. Tautz formuliert es in dem Interview zu seinem neuen Projekt „Smart HOBOS“ mit dem Titel „Die Suche nach der Zukunft der Imkerei“ so: „Wir wissen, dass zwei Faktoren den Honigbienen zu schaffen machen, die wir nicht beeinflussen können: Erstens die Intensiv-Landwirtschaft mit Monokulturen und Agrochemie, zweitens die Bienen-Krankheiten und Parasiten. Der grösste Stressfaktor für die Honigbienen ist aber – der Imker. Natürlich arbeitet jeder Imker nach bestem Wissen und Gewissen. Wir können und müssen aber die imkerliche Praxis in vielen Details verbessern“ [38].

Meine Projektidee „Deutschlands Bienengarten“© [39] sowie mein Kampagnenkonzept „Repowering Our Honeybees“ © [20] und mein Buchprojekt „Zukunftsfähige Naturnahe Hobby-Bienenhaltung und Naturnahe Resistenzzucht [36] bauen genau auf diese zwei Wege.

Eine weiterer entscheidend wichtiger Baustein für die Vitalität der Honigbienen liegt in den umfangreichen Blüh- und Trachtverbesserungsmaßnahmen, die zum einen in der offenen Landschaft durch staatliche Programme wie das KULAP, das Engagement der Landschaftspflegeverbände und Initiativen wie des Netzwerks Blühende Landschaften sowie der Bio-Anbauverbände und zum anderen in Wald und Forst  durch die Bayerischen Staatsforsten  und private Waldbesitzer/innen umgesetzt werden. Viele Wälder und offene Landschaften bieten den Honigbienen zu wenig Nahrung in Form von Pollen und Blütennektar. Der Nektar, der von den Bienen zu Honig umgearbeitet wird, ist die wichtigste Energiequelle, um den Winter zu überstehen. Daneben zeigten neueste Forschungen, dass Pollen, Nektar und das Baumharz, das die Honigbienen zu Propolis verarbeiten, die natürliche Hausapotheke der Honigbienen darstellen, mit deren Hilfe sie den Ausbruch vieler Krankheiten verhindern oder Krankheiten heilen können [40] [41] [42].

Kontraproduktiv für das Ziel, widerstandsfähige Honigbienen in den Wäldern zu erhalten, sind sowohl die Wanderung mit Imkervölkern sowie die Nutzung der Wälder für Imkervölker, die intensiv bewirtschaftet werden (Varroabehandlung, Zuckerfütterung, etc.). Die Honigbienen in Imkerhand leiden sehr häufig unter einer Infektiösen Faktorenkrankheit und könnten wildlebende Honigbienenvölker mit virulenten Viren und Varroen anstecken. Zudem ist bekannt, dass von intensiv bewirtschafteten Völkern hoch ansteckende Krankheitserreger auf Wildbienen übergehen können [43]. Weiterhin stellen die Imkervölker, die unnatürlich hohe Individuenzahlen aufweisen (starke Völker), eine bedrohliche Konkurrenz für alle Wildbienen und anderen Bestäubern dar, was den Zugang zu Nektar und Pollen anlangt. Studien belegen, dass in einer solchen Situation die anderen Bestäuber den Kürzeren ziehen und die Populationen durch Nahrungsmangel gefährdet sind [44].

2.      Das Projektgebiet – Der Nürnberger Reichswald

2.1     Eine mittelalterliche Urkunde

In seinem Buch „Das Zeidlerwesen“ zitiert Dr. Thäter (1993) ausführlich aus einer Urkunde, die Kaiser Karl IV. am 1.06.1350 [45] den Nürnberger Zeidlern ausgestellt hat. Sie trägt den Titel: „Kaiser Karls des IV. bestätigung der zeidler recht und gerechtigkeit auf den Nürnberger Reichswäldern vom jahr 1350“. In diesem Privileg legt der Kaiser in Punkt 11 fest: „Es sollen auch alle versagte pin auf unserm und des Reichs walde gehören in desselben unsers reichs pingarten,…“ [17]. Von dieser Bezeichnung leitete ich den Begriff „Deutschlands Bienengarten“ ab.

2.2     Der Nürnberger Reichswald als Natura 2000-Gebiet

Die Pegnitz teilt den Wald in den südlichen Lorenzer Reichswald und den nördlichen Sebalder Reichswald. Das Gebiet, das sich im Süden bis zum Rothsee erstreckt, wird Südlicher Reichswald genannt. Alle drei Teile sind heute nahezu komplett als Bannwald geschützt und als Vogelschutzgebiet im Rahmen von Natura 2000 gemeldet [46]. Mit Stand 2008 wurden für den „Nürnberger Reichswald“ (Gebiets-Name) mit der Gebiets-Nummer 6533-471 und dem Typ F – Europäisches Vogelschutzgebiet, das ein FFH-Gebiet enthält – mit einer Größe von 38.192 ha von der Regierung von Mittelfranken die „Gebietsbezogene Konkretisierung der Erhaltungsziele“ festgelegt: Unter Punkt 1 finden wir folgendes Ziel: „Erhaltung des Nürnberger Reichswalds als ausgedehnten, zusammenhängenden Waldkomplex mit großer Vielfalt an Waldgesellschaften und Sonderbiotopen (Offenbereiche, Bachtäler, Teiche, Kleingewässer), insbesondere großflächige, trockene und v.a. lichte Kieferwälder mit teilweise gut ausgeprägter Zwergstrauchvegetation als bedeutsamer Lebensraum für charakteristische, überwiegend seltene und gefährdete Arten wie Ziegenmelker, Heidelerche, Raufußhühner, Spechten und deren Höhlenfolgenutzer (z.B. Kleineulen), sowie eingestreute Laubholzbereiche und Umwandlungsflächen zu strukturreichen Misch- und Laubwäldern und Bruchwälder als weitere bedeutsame Lebensräume für Wespenbussard und andere Waldarten“ [47].

2.3     Das Engagement der Bayerischen Staatsforsten im Nürnberger Reichswald und die Geschichte seiner forstlichen Nutzung

Die Bayerischen Staatsforsten haben ihre Ziele in Gutachten wie dem „Biotopverbundprojekt Biotop-, Horst- und Höhlenbäume – Abschlussbericht Nürnberger Reichswald“ [48] und dem „Naturschutzkonzept für den Forstbetrieb Nürnberg“ niedergelegt [49].

Im Abschlussbericht wird unter dem Punkt „Allgemeines zum Forstbetrieb Nürnberg“ auch auf die Geschichte der forstlichen Nutzung eingegangen:

„Der Reichswald ist der älteste Kunstforst der Welt. Seit dem späten Mittelalter ist belegt, dass der devastierte Wald immer wieder großflächig aufgeforstet werden musste. Dies geschah mit anspruchslosen und schnellwachsenden Baumarten wie Kiefer und Fichte. Der Reichswald ist zu jenen Zeiten nie nachhaltig bewirtschaftet worden. Neben Übernutzung an Rohholz ist zusätzlich die Streunutzung zu nennen, die den Nährstoffkreislauf unterbrach und die Böden verarmte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es dann zu einer großen Kiefernspanner-Katastrophe, dem rund ein Drittel der Bäume zum Opfer fiel. Diese Geschichte erklärt den hohen Nadelholzanteil und die geringen Maximalalter der Bestände. Um diesen immer wiederkehrenden Gefährdungen zu begegnen wurde in den 1980er Jahren das so genannte „Reichswaldprogramm“ gestartet. Dabei wurden von 1986 bis 2003 große Flächen mit Laubhölzern unterbaut. Diese stehen nun als zweite Baumschicht unter dem Altholzschirm der Kiefernbestände. Im Rahmen der „Verordnung über die Festlegung von Europäischen Vogelschutzgebieten sowie deren Gebietsbegrenzungen und Erhaltungszielen (VoGEV)“ wurde 2006 das SPA-Gebiet (Special Protection Area) „Nürnberger Reichswald“ rechtlich verankert. 93 % der Forstbetriebsfläche gehören zu diesem SPA-Gebiet“ [48].

Abb 7: Bayerische-Staatsforsten-Forstbetrieb-Nürnberg-2016-Übersicht-über-die-Reviere-im-Forstbetrieb-Nürnberg (2016) [50]
„Wie nahezu alle Waldgebiete in Deutschland kommt auch dem Nürnberger Reichswald eine große Bedeutung als Naherholungsgebiet für die Bewohner der umliegenden Städte zu. Dementsprechend ausgeprägt ist auch das Netz der Wege, die den Wald durchziehen. Ihre Gesamtlänge im Nürnberger Reichswald beträgt rund 1.200 Kilometer. Ein Teil dieses verzweigten weiten Wegenetzes dient den Belangen der Forstwirtschaft, aber etwa die Hälfte der Wege unterliegt einer besonderen Pflege. Hierdurch eignen sich rund 600 Kilometer Wege im Nürnberger Reichswald für Erholungssuchende. Sie bieten sich nicht nur dem Wanderer und Spaziergänger an, sondern sind auch für Jogger und Radfahrer geeignet. Das Waldgebiet wird von den Stadtbewohnern stark frequentiert. Dementsprechend hoch ist auch der Stellenwert, dem der Nürnberger Reichswald seitens der Bayrischen Staatsforsten eingeräumt wird. Um die Erholungsfunktion und die Attraktivität des Waldgebietes zu erhalten, wurden die Eingänge zum Waldgebiet und die angrenzenden Parkplätze mit neuen Hinweisschildern versehen. Rund 60.000 Euro wurden investiert, um mit Karten im Maßstab 1 : 25.000 den Besuchern des Waldes Informationen zum Wegenetz, aber auch zum Ökosystem zu geben. Außerdem informieren die Tafeln über besondere Sehenswürdigkeiten, die zu Fuß erreicht werden können. Der Nürnberger Reichswald ist kein naturbelassener Urwald, sondern ein seit Jahrhunderten vom Menschen genutztes Gebiet. Dennoch finden sich auch hier noch Bereiche, die aus ökologischer Sicht besonders bedeutsam sind. (…) Insgesamt betrachtet kann der Nürnberger Reichswald heute als ein gutes Beispiel für ein funktionierendes Miteinander von Mensch und Natur angesehen werden. Die Nutzung der Bäume durch die Forstwirtschaft, die jagdliche Inanspruchnahme des Waldgebietes und die Funktion als großer zusammenhängender Naherholungsraum für die umliegenden Ballungsräume greifen ineinander“ [51].

2.4     Die Situation der wildlebenden und verwilderten Honigbienen im Nürnberger Reichswald früher und heute

Wilde Honigbienenvölker der Dunklen Biene sind im Reichswald mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr vorhanden.

Von den letzten verwilderten (feral) Honigbienen im Reichswald berichtet  F. K. Stoeckhert (1933): „Die Zahl der im Wald lebenden wilden Bienenvölker ist in Franken heute nur noch gering. Unsere neuzeitliche Forstwirtschaft mit ihrer geregelten Umtriebszeit und systematischen Entfernung hohler Bäume hat die Waldbiene ihrer wichtigsten Nistgelegenheit beraubt, so dass sie wie auch andere Arten unserer Tierwelt mehr und mehr verschwinden musste. Die Völker, die heute noch vereinzelt und vorübergehend im Wald anzutreffen sind, sind stets auf entwichene Schwärme zurückzuführen, welche verwildert sind“ [52].

1954 korrigiert er die Zahlen: „Die Zahl der im Walde lebenden Bienenvölker scheint doch größer zu sein, als man gewöhnlich annimmt. Sie entziehen sich nur allzu leicht der Beobachtung; denn die Fluglöcher liegen vielfach in der Laubkrone versteckt sehr hoch über dem Erdboden. So fand ich im „Eichenwald“ zu Erlangen unter einer großen Eiche wiederholt kleine Wabenstücke und Bienenleichen, ohne dass ich die Lage des Stockes feststellen konnte. Im Nürnberger Reichswald, dem klassischen Gebiet des fränkischen Zeidelwesens, beobachtete ENSLIN (brfl.) (ein befreundeter Kollege; Anmerk. der Verfasserin) an verschiedenen Orten mehrere Jahre hindurch Völker, die sich in alten Eichen angesiedelt hatten. […] Zweifellos ist aber die Zahl der Waldbienenvölker heute doch viel geringer als im Mittelalter, wo sie Jahrhunderte hindurch die Grundlage für das blühende Zeidelwesen bildeten [53].“

Die heutige Situation der Honigbienen im Reichswald ist meines Wissens nach nicht bekannt. Eine Kartierung der heute vorkommenden verwilderten Bienenvölker, die aus Imkerhand stammen, ist daher notwendig.

2.5     Das Zeidel-Museum in Feucht

Der Zeidelwesen-Erhaltungsverein Feucht e.V. hat in seinem Zeidelmuseum einen unglaublich reichhaltigen Schatz an Geschichte und Tradition zusammengetragen, Klotzbeuten, Bienenkörbe, Zeidelwerkzeug, Honigpressen, Modeln für die Lebkuchenherstellung und vieles mehr. Eine umfangreiche Literatursammlung mit vielen wertvollen alten Imkerbüchern vervollständigt dieses Museum. Ein Kleinod sondergleichen, das es verdient, zum modernen Museum ausgebaut zu werden!

3.      „Deutschlands Bienengarten“ – Wiederbelebung eines Natur- und Kulturerbes

3.1     Ziele dieses Modellprojektes

Ziel dieses vorgeschlagenen Modellprojektes ist nicht! die Wiederansiedlung der Dunklen Biene. Die Erhaltung der Dunklen Biene ist nur in isolierten Gebieten möglich, in denen keine anderen Bienen gehalten werden.

„Deutschlands Bienengarten“ möchte dazu beitragen, das Interesse für unsere Honigbiene Apis mellifera in ihrem natürlichen Ökosystem zu wecken und Bürger/innen, Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Imkerei, Wissenschaft und Naturschutz zusammenzubringen, um damit folgende Ziele zu erreichen:

 

Ziel 1:             Kartierung und Schutz der verwilderten Honigbienen in ihrem natürlichen Umfeld, dem Wald

Ziel 2:             Aufbau von Varroa-resistenten „wild“ lebenden Honigbienen-Populationen

Ziel 3:             Wiederbelebung der Zeidlerei als immaterielles Kulturerbe

Ziel 4:             Wissenschaftliche Forschung, die sowohl Erkenntnisse zum Schutz der Honigbiene als auch zu verbesserten Imkermethoden ermöglicht

Ziel 5:             Aufbau einer Datenbank, an die Bürgerinnen und Bürger natürlich nistende Bienenvölker und Bienenbäume melden können – Citizen Science (http://www.hobos.de/mit-hobos-forschen/projekte/beetrees/meldung-eines-natuerlich-nistenden-honigbienenvolkes/)

Ziel 6:             Entwicklung einer zukunftsfähigen naturnahen Bienenhaltung und Schulung der Imkerinnen und Imker in dieser Imkermethode

Ziel 7:             Insekten- und bestäuberfreundliche Forstwirtschaft und Einbringung von Bienentracht in den Wald und entlang der Waldränder [54] – Stärkung der Bestäuber- und Nützlingsgesellschaften

Ziel 8:             Insekten- und bestäuberfreundliche Landwirtschaft mit Zwischeneinsaaten als Herbst-Trachtquelle für die Bienen und Stärkung der Bestäuber und Nützlinge

Ziel 9:             Die Begegnung von Menschen und Honigbienen zu ermöglichen und dadurch

Ziel 10:           Die Begeisterung für Imkerei, Bienenschutz, trachtreiche Wälder, Äcker und Felder und insektenfreundliche Gärten und Grünflächen zu wecken

Mit diesen Zielen würden alle Anregungen umgesetzt, die De la Rúa et al. (2009) aus ihren Forschungsergebnissen ableiten: „Eine abschließende Überlegung ist, dass der Honigbienenschutz eng mit der Aufrechterhaltung der Imkerei verbunden ist, die als zukunftsträchtiger Bestandteil der landwirtschaftlichen Praxis auch für die junge Generation attraktiv sein sollte. Für eine nachhaltige Unterstützung der Imkerei sollten die Berufsausbildung verbessert, moderne Betriebsweisen eingeführt, angewandte Forschung zur Bienenbiologie, Genetik und Krankheitsbekämpfung durchgeführt sowie sinnvolle Richtlinien zum Schutz wertvoller Ökosysteme umgesetzt werden“ [21].

3.2     Konkrete Maßnahmen

Unter Einbeziehung aller für den Nürnberger Reichswald erstellten Gutachten und Managementpläne für Waldentwicklung, Vögel, Fledermäuse, Eulen, Käfer, Ameisen, Wildbienen, etc. [46] [48] [55] [56] [57] [58] [59] werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Kartierung der im Reichswald natürlich nistenden Honigbienenvölker: Erstellung von Bestandskarten und einer Baumkartei für heute schon im Reichswald wild lebende (verwilderte) Honigbienen. Die Erholungssuchenden werden gebeten, gesichtete Völker zu melden. Diese Völker werden nicht bewirtschaftet und stehen für die Bienenforschung zur Verfügung. Die Untersuchung auf Amerikanische Faulbrut, Varroa-und Virenbelastung sowie die Ermittlung der Honigvorräte und die Bestandsentwicklung werden durchgeführt.
  • Honigbienen in Zeidelbäumen und aufgehängten Klotzbeuten: Auswahl von geeigneten Bäumen, die als Zeidelbäume dienen könnten. Als Alternative (wenige starke Bäume und Vermeidung von Konkurrenz mit anderen höhlenbewohnenden Tieren) wird die Aufhängung von selbst hergestellten Klotzbeuten in geeigneten Bäumen und in geeigneten Bereichen des Reichswaldes empfohlen. Im Zuge von Kursen können unter Anleitung polnischer und/oder deutscher Zeidler/innen künstliche Baumhöhlen geschaffen werden, die entweder mit von interessierten Imkern gespendeten Schwärmen besiedelt werden können oder für Schwärme, die eine Höhle suchen, bereitstehen. Diese Völker werden wie in früheren Zeiten bewirtschaftet, bei Bedarf gefüttert und gegen Krankheiten behandelt und stehen gleichfalls für Forschungszwecke zur Verfügung.
  • Honigbienen im Klotzbeuten-Garten:  Der Klotzbeuten-Garten, der an einer gut zu erreichenden Stelle eingerichtet werden kann, ermöglicht die nahe Begegnung der Menschen mit den Honigbienen mittels Führungen und Öffentlichkeitsarbeit. Zudem werden Kurse zur Klotzbeuten-Imkerei und zu einer zukunftsfähigen Naturnahen Bienenhaltung in Magazinbeuten mit ungeteiltem Brutraum (Ramelli-Beute, Gerstung-Beute, Einraumbeute, etc.) einschließlich Honigernte, Herstellung von Honig-Met und Lebkuchen angeboten.

3.3     Aufbau attraktiver Einrichtungen für Tourismus und Umweltbildung

Die folgenden Einrichtungen sollen den Bienengarten als Anlaufpunkt für die interessierte Bevölkerung attraktiv gestalten und in der Nähe des Klotzbeuten-Bienengartens angesiedelt werden:

1. Tourismus und Umweltbildung samt Waldpädagogik

  • Einbeziehung des Zeidel-Museums Feucht in das Konzept des Bienengartens
  • Einrichtung eines Bienenlehrpfades
  • Kurse zur Honigbiene und zur Imkerei
  • Kurse zur Honigernte, Herstellung von Scheiben- und Presshonig
  • Kurse zur Herstellung von Bienen-Produkten (Seife, Propolis, Salbe, Kerzen, Lebkuchen-Häuschen, Honig-Met)
  • Kurse zur Herstellung von Klotzbeuten und Bienenkörben
  • Einbeziehung der Bevölkerung bei der Suche nach Schwärmen und neu besiedelten Bienenbäumen;
  • Beziehungsgeflecht Ameise-Biene-Blattlaus; Ameisenhaufen melden und schützen, neue Ameisenkolonien anlegen.
  • Aufbau einer Imkerschule mit wissenschaftlicher Begleitung

2. Apitherapie für Körper, Geist und Seele

  • Ansiedelung eines kleinen Labors (z.B. Einbeziehung einer ortsansässigen Firma) zur Entwicklung von hochwertigen Apitherapie-Produkten wie Propolis, Creme zur Wundheilung aus dem Honig mit den Milchsäurebakterien, etc.
  • Herstellung von hochwertigen Probiotika aus dem frischen Honig der wildlebenden Bienen
  • Bienenhäuschen zur Asthma-Therapie durch Einatmen der Stockluft

3. Gastronomie – Bio-Café und Bienengarten-Biergarten

  • Einrichtung eines Bienengarten-Biergartens oder Einbeziehung eines bestehenden Wirtshauses mit Produkten einheimischer Erzeuger
  • Einrichtung eines Bio-Cafés mit Küche, in der Kurse zur Met- und Lebkuchenherstellung etc. gegeben werden können

 4. Aufbau einer kleinen Schreinerei und Korbflechterei

 In dieser Werkstatt sind alle Werkzeuge und Werkstoffe vorhanden, um Klotzbeuten, Bienenkörbe und andere Beuten herzustellen sowie Zeidelbäume vorzubereiten.

3.4     Interessante Forschungsarbeiten in Zusammenarbeit mit Universitäten und Bieneninstituten

Mit der Wiederbelebung von „Deutschlands Bienengarten“ stünde in Zukunft in Deutschland ein einzigartiges „Freiland-Labor“ erster Güteklasse zur Verfügung. Hier könnten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vieler Fachdisziplinen forschen. Beispielhaft seien genannt: Bienenphysiologie und Soziobiologie, Neurobiologie, Verhaltensforschung, Populationsökologie, Pharmazie, Mikrobiologie, Viren-Pathologie sowie Waldökologie und Diversitätsforschung.

 

Forschungsschwerpunkte und – fragestellungen könnten sein:

  • Populationsdynamik der bereits verwildert im Reichswald lebenden Bienenvölker
  • Unterstützung des Forschungsnetzwerkes BEE DOC, das laut Moritz et al. (2010) folgende Schwerpunkte bearbeitet: „Das Forschungsnetzwerk BEE DOC wird sich deshalb mit den Interaktionen zwischen Parasiten, Pathogenen und Pestiziden beschäftigen. […] Antibiotische Substanzen, die von den Bienen selbst erzeugt oder von Pflanzen gesammelt werden, sollen auf ihre Wirksamkeit bei der Bekämpfung von Bienenkrankheiten untersucht werden. Gerade sekundäre Metabolite von Pflanzensubstanzen, die von der Honigbiene enzymatisch verändert wurden um eine höhere Wirksamkeit zu erhalten, sind von besonderem Interesse“ [24]
  • Zusammenarbeit mit polnischen und russischen Bienenwissenschaftlern
  • Mikrofauna in Zeidelhöhlen und Klotzbeuten
  • Auswirkung des Vorhandenseins von Milchsäurebakterien im Honigmagen der Honigbienen auf das Immunsystem. Welche und wie viele davon sind in wildlebenden und in bewirtschafteten Bienenvölkern vorhanden?
  • Einsatz dieser Milchsäurebakterien als Probiotika zur Verbesserung der Darmflora des Menschen
  • Untersuchungen zur Wundheilung bei Mensch und Tier durch diese Milchsäurebakterien-Honige
  • Isolation von z.T. unbekannten Mikroben aus dem Darm der Honigbienen zur Antibiotika-Gewinnung für die Human-Medizin
  • Untersuchung des Verlaufs der Resistenzbildung der Honigbienen gegenüber Varroa und Viren
  • Welche Virenstämme befinden sich in wildlebenden Honigbienen und welche in bewirtschafteten?
  • Zusammenspiel von Honigbienen und Ameisenkolonien

 3.5     Akteure, Finanzierung und Lage des Klotzbeuten-Bienengartens

 Mögliche Akteurinnen und Akteure (in alphabetischer Reihenfolge; nicht abschließend):

Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; Bayerische Imkervereinigung e.V. einschließlich der Imkervereine; Bayerische Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF); Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau – Fachzentrum Bienen; Bayerische Staatsforsten mit Forstamt Nürnberg; Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ; Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat; Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz; Birgit Maria Jönsson (bienenimbauch.de); Bund Naturschutz in Bayern e.V.; Deutscher Imkerbund D.I.B.; Europäisches Forstinstitut; Heimatkunde-Vereine; HOBOS Würzburg beetrees.de; Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde; Hochschule Weihenstephan-Triesdorf-Fakultät Wald- und Forstwirtschaft; Internationale Zeidlergemeinschaft Tree-beekeeping.org; LAG Nürnberger Land e.V.; Landesbund für Vogelschutz e.V.; Landschaftspflegeverband Nürnberg e.V.; Landesverband Bayerischer Imker e.V. einschließlich der Imkervereine; Markt Feucht; Netzwerk Blühende Landschaften; Nürnberger Land; Regierung von Mittelfranken; Stadt Nürnberg mit Umweltamt; Tiergesundheitsdienst Bayern TGD; Untere Naturschutzbehörden; Walderlebniszentrum Tennenlohe; Zeidelwesen-Erhaltungsverein Feucht e.V.; Zeidlerverein Feucht;

„Deutschlands Bienengarten“ ist ideal geeignet, als LEADER-Projekt umgesetzt zu werden (Projektidee: „Deutschlands Bienengarten“ als LEADER-Projekt © – Sigrun Mittl, in Kürze) und auch  als Kooperationsprojekt, entweder gebietsübergreifend oder transnational:

  • Gebietsübergreifende Kooperation mit anderen LAG
  • Transnationale Kooperation mit Projekten aus Polen, England, Schweiz, Belgien, Russland und Frankreich

 

Finanzierung:

LEADER-Programm; Forschungsgelder des Bundes bzw. des Freistaates Bayern; Umweltstiftungen; Universitäten; Stadt Nürnberg; Forschungseinrichtungen; Forschungsgelder der Europäischen Union; Sponsoren aus der Wirtschaft;

Förderprogramme Privatwald: VNPWald (Vertragsnaturschutzprogramm); WaldFöP (Waldförderprogramm), Ökokonto.

Förderprograme Staatswald: Ökokonto, bGWL – besondere Gemeinwohlleistungen (Beantragung durch BaySF und Genehmigung durch Bereich Forsten des AELF;

 

 Lage des Klotzbeuten-Bienengartens und der weiteren Einrichtungen:

Der Klotzbeuten-Bienengarten sollte auf einem Grundstück am Waldrand eingerichtet werden und leicht erreichbar sein. Vorteilhaft wäre ein Ort, an dem auch die anderen Einrichtungen wie Biergarten, Café und Kursräume Platz finden. Dieser Ort soll ein Ort der Begegnung, der Forschung und der Imkerei sein, an dem sich Menschen informieren, lernen und entspannen können.

 

4.      Die ersten Schritte sind getan

Im Januar 2017 fand im Zeidelmuseum Feucht die zweite Tagung der Internationalen Zeidlergemeinschaft mit Teilnehmer/innen aus Deutschland, der Schweiz, Belgien und Polen statt.

Im März 2017 wurden die Internationale Zeidlergemeinschaft und der Zeidelverein Feucht Partnerorganisationen.

HOBOS Würzburg startete im Mai 2017 mit „beetrees“ ein Projekt zur Erfassung der Häufigkeit und geographischen Verteilung natürlich nistender Honigbienen in Mitteleuropa. Projektleiter sind B. Rutschmann und Prof. J. Tautz. Ein Meldeblatt kann auf http://www.hobos.de/mit-hobos-forschen/projekte/beetrees/meldung-eines-natuerlich-nistenden-honigbienenvolkes/ heruntergeladen werden

Der Tiergesundheitsdienst Bayern, Dr. Schierling, hat ein Kontingent für die Beprobung von Honigbienen-Völkern, die im Rahmen des Projektes „Deutschlands Bienengarten“ in Zeidelhöhlen und/oder Klotzbeuten einlogiert werden und/oder selbst einziehen, zugesagt

Der Bayerische Rundfunk plant eine Sendung im Rahmen von „Spessart und Karwendel“ zum Thema „Wiedereinführung der Zeidlerei“ und „Bienen in Zeidelhöhlen“

 Anhang

5.      Wildlebende Honigbienen und die Amerikanische Faulbrut

Die Amerikanische Faulbrut (AFB) ist eine der vielen möglichen Krankheiten, mit denen unsere Honigbienen zurechtkommen müssen. Viele Imker haben große Sorgen, dass durch die Wiedereinführung der Zeidlerei und die Natürliche und Naturnahe Imkermethodik die Völker zu einer Seuchenschleuder werden. Die Forschung zeigt, dass viele Krankheiten, die schon seit Tausenden von Jahren bei den Bienen nachgewiesen wurden, erst unter den heutigen Bedingungen von Bienenimporten, zu großer Völkerdichte an einem Standort und den heutigen Imkermethoden zum wirklich großen Problem geworden sind. Aber auch hier können wir aus der wissenschaftlichen Forschung interessante Ergebnisse lesen, die uns Hoffnung machen.

Genersch (2010) fasst die Forschungsergebnisse zusammen: „Unter normalen Imkerpraxis-Bedingungen ist die AFB hoch ansteckend, seit die Verbreitung der Krankheit durch das Austauschen von Beuten und Bienenmaterial zwischen Völkern, durch das Bewirtschaften zahlreicher Beuten in begrenzten Gebieten und durch den Handeln von Königinnen, Völkern („Paket-Bienen“) und Honig erleichtert wird“ [60]. (Übersetzung durch die Verfasserin) In diesem Artikel erläutert sie auch die 4 bisher gefundenen Genotypen (exakte genetische Ausstattung) von Paenibacillus larvae, ERIC I-IV, die unterschiedlich virulent sind. Die virulenten Genotypen werden häufig als „aggressive Virenstämme“ bezeichnet.

Goodwin et al. (1994) trugen interessante Ergebnisse über AFB und wildlebende Honigbienen-Völker zusammen: Bis 1957 wurden nur 3 Fälle von AFB in wildlebenden Honigbienen-Völkern dokumentiert, 2 in England und 1 in Australien. Sie schreiben weiter, dass Bailey (1958) von 100 wildlebenden Bienen-Völkern aus Sussex (England) berichtet hat, die keine Anzeichen von AFB zeigten, obwohl AFB in Völkern in Imkerhand aus derselben Gegend nachgewiesen wurde. Aus Miller (1935) erfahren sie, dass von den vielen wildlebenden Völkern, die 1928 und 1929 in Michigan, U.S.A., getötet wurden, keines mit AFB infiziert war, obwohl 13% der Bienenvölker in Imkerhand in derselben Gegend infiziert waren. Die Forscher fanden in einer Studie (1993) in Neuseeland heraus, dass in 12,5 % der Bienenvölker in Imkerhand (Imker mit weniger als 50 Völker) Faulbrut-Sporen vorhanden waren. In einer darauffolgenden Studie wollten sie die Sporenlast in wildlebenden Völkern untersuchen, verbunden mit der Frage, ob diese die Krankheit in von Imkern betreute Völker übertragen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass nahezu alle untersuchten wildlebenden Völker frei von AFB sind und die, die Sporen aufweisen (6,4% von 109 Völkern), nur eine niedrige Sporen-Ladung aufweisen ganz im Gegensatz zu den untersuchten Völkern in Imkerhand, was sie zu folgender Aussage bringt: „Vielleicht haben die wildlebenden (feral) Völker ein größeres Risiko, sich mit AFB von Völkern in Imkerhand zu infizieren, als es andersherum der Fall ist“ und „Das geringe Vorhandensein dieser Krankheit in wildlebenden Völkern deutet darauf hin, dass ein Großteil der AFB-Fälle, die von den beimkerten Völkern berichtet werden, auf die Imkertechniken zurückzuführen sind und eben nicht auf die Überkreuz-Kontamination von wildlebenden Völkern“ [61]. (Übersetzung durch die Verfasserin)

Hornitzky et al. (1996) waren an denselben Fragen interessiert wie Goodwin et al., nur dass sie in Australien forschten und auch Schwärme in den Blick nahmen. Sie kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Von 60 wildlebenden Völkern enthielt nur 1 Volk Sporen von AFB und dieses Volk lebte in der Nähe von Imker-Völkern. Alle anderen 59 Völker lebten weit von Imker-Völkern entfernt, was sie zu der Aussage bringt, „…dass die Populationen der wildlebenden Honigbienen ein unwahrscheinliches Reservoir von AFB für Bienen in Beuten darstellt“ und beenden den Artikel mit folgenden Worten: „Die geringe B. larvae-Rate von wildlebenden Kolonien und Schwärmen und das Fehlen von klinischen Symptomen in Schwärmen, die nach dem Einlogieren in Beuten B. larvae enthalten, läßt vermuten, dass Schwärme als eine sehr unwahrscheinliche Quelle für AFB in Völkern in Beuten darstellen. Jedoch kann es für Imker, die Schwärme einlogieren, vernünftig sein, diese für 6 Wochen in Quarantäne zu halten und zu beobachten, um sicherzustellen, dass ein möglicherweise mit B. larvae infizierter Schwarm keine klinischen Symptome der AFB entwickelt“ [62]. (Übersetzung durch die Verfasserin)

Fries et al. (2006) haben erforscht, ob die Amerikanische Faulbrut an die Vertikale Übertragung gebunden ist und verglichen daher Bienenvölker (Muttervolk) und deren Schwärme (Töchter) im Hinblick auf Sporenbelastung, klinische Symptome und die Entwicklung dieser beiden Faktoren in Mutter- und Tochtervolk über die Zeit. Sie stellten zum einen fest, dass die Vertikale Übertragung der Faulbrutsporen von der Mutterkolonie zur Tochterkolonie stattfindet und zwar sowohl, wenn die Mutter nur Sporen von AFB aufweist als auch dann, wenn bei ihr schon klinische Symptome ausgebrochen sind [63].

Die weiteren Ergebnisse dieses Forscherteams lassen aufhorchen: „In Mutter-Kolonien mit klinischen Symptomen von AFB bleiben diese Symptome die ganze Saison hindurch erhalten, was sich in der hohen Belastung mit Sporen in den Bienen-Proben widerspiegelt. Die Sporenbelastung in den jeweiligen Tochter-Schwärmen dieser Kolonien jedoch verringert sich über diese Zeit in hohem Maße oder ist in manchen Fällen sogar nicht mehr nachweisbar. Überraschenderweise nimmt die Sporenbelastung von Mutter-Kolonien ohne klinische Symptome in derselben Zeit genauso weit ab wie die von den jeweiligen Tochter-Schwärmen trotz dessen, dass die Bienen auf den potentiell sporen-verseuchten Waben zurückbleiben. Es sollte auch erwähnt werden, dass Tochter-Schwärme von Muttervölkern mit klinischen Symptomen ihre Infektion schnell verlieren und keine klinischen Symptome entwickeln. Diese Ergebnisse weisen klar darauf hin, dass  Mengen der P.larvae, die in der Lage sind klinische Fälle der AFB zu erzeugen, nicht leicht zwischen Kolonien durch vertikale Transmission in einem natürlichen System übertragen werden. (…). Der Rückgang der Sporen-Mengen sowohl in Tochter-Schwärmen wie auch in den jeweiligen Mutter-Völkern weist darauf hin, dass Honigbienen häufig Infektionen überstehen oder dass sie manchmal keine sichtbare klinische Krankheit entwickeln, nachdem sie infiziert wurden. Die Aufrechterhaltung niedriger Infektions-Grade über mehrere Jahre ohne Krankheitssymptome deckt sich mit Daten von Honigproben (Hansen & Rasmussen, 1986). Dies erlaubt der AFB sowohl auf Vertikale (durch Schwärme) wie auf Horizontale Weise (durch Räuberei oder Verflug) verbreitet zu werden und das ohne klinische Krankheitszeichen. Es gibt keine Untersuchungen über die Übertragung von AFB in natürlichen Systemen. Trotzdem weisen erwachsene Bienen aus wilden Kolonien in Gegenden ohne Bienenhaltung selten nachweisbare Sporen-Mengen auf, während Schwärme in Gegenden mit Bienenhaltung oft mit AFB-Sporen infiziert sind (Hornitzky et al., 1996). Das geringe Vorkommen von AFB in wildlebenden Bienenvölkern und die hier vorgestellten Ergebnisse legen nahe, dass AFB in einem natürlichen System vorhanden ist, ohne klinische Symptome oder den Tod der Kolonien zu verursachen. […] Die extrem dauerhaften Sporen stellen fortlaufend infektiöses Material innerhalb einer Bienen-Kolonie bereit. Sogar wenn große Mengen von Sporen, die über Honig an die Bienen-Kolonien gefüttert werden, nötig sind, um klinische Krankheitssymptome zu erzeugen (Hansen et al., 1988), so ist der Schwellenwert für Infektion einzelner Larven sehr niedrig (Brǿdsgaard et al., 2000). Ausgehend von Sporen, die ihre Funktionsfähigkeit über Jahrzehnte behalten, produzieren zufällige Ereignisse von Zeit zu Zeit wahrscheinlich eine gelegentliche Infektion in einzelnen Larven. Wir stellen die Hypothese auf, dass dies eine Strategie des Parasiten sein könnte, um zu überleben und sich selbst im System der Honigbiene zu erhalten, möglicherweise parallel inaktiv in geeigneten Nistplätzen zu verharren. Diese Hypothese wird unterstützt durch die Tatsache, dass klinische Fälle von AFB niemals in Bienen südlich der Sahara (Fries and Raina, 2003) gefunden wurden, aber vom Vorhandensein der Sporen im Honig aus dieser Gegend berichtet wurde (Hansen et al., 2003). […] Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass das Problem mit AFB, das in Imkereien auftritt, zuallererst von den Imkerpraktiken abhängig sein kann, indem der Infektionsdruck erhöht und die Übertragungswege der Parasiten im System verändert werden“ [63]. (Übersetzung durch die Verfasserin)

Eine weitere Imkerpraxis kann zum Ausbruch von Brutkrankheiten aller Art einschließlich der AFB führen: das zu frühe Aufsetzen von Honigräumen und das zu späte Einengen der Völker im Herbst. Das Verhältnis Bienenmasse-Waben/Raum ist dabei entscheidend. „Den richtigen Augenblick der Aufsatzreife zu treffen, ist für das weitere Gedeihen der Völker sehr wichtig; denn wenn der Honigraum vorzeitig aufgesetzt und von den Bienen nicht belagert wird, entzieht er dem Brutraum viel Wärme“, schreibt Zander [64]. Wenn die Bienen nicht die gesamte Brut wärmen können, tritt das gleiche Phänomen ein. Ein Kälteeinbruch im Frühling und zu kalter Bienensitz führt zum Zusammenziehen der Bienen in die Traube; Brut wird nicht mehr gewärmt und erleidet Kälteschäden bzw. den Kältetod. Das Prinzip Bienenmasse/Raum gilt auch für das Einengen der Völker im Herbst. Zander fordert: man müsse „sich davon überzeugen, ob    Volksstärke und Wabenzahl  i m  r i c h t i g e n  V e r h ä l t n i s s e  stehen. Zwar darf die Anordnung der Waben im Brutneste vom Juli an nicht mehr geändert werden, aber die Zahl der Waben muß vor irgendwelchen anderen Maßnahmen dem Umfange der künftigen Wintertraube entsprechend so bemessen werden, daß je nach Beutenart etwa zwei Deckwaben sie auf den Seiten oder hinten schützen. Was darüber hinaus im Stocke hängen bleibt, fällt höchstens den Motten zum Opfer oder verschimmelt (…)“ [64].

Vor diesem falschen Verhältnis von Bienen und Raum warnt auch Ritter [65] bei einem Vortrag über die „Gute Imkerliche Praxis als Voraussetzung für gesunde Bienen“ und weist auf einen zentralen Punkt hin. Die Bienen haben die Fähigkeit, sich durch ein ausgeprägtes Hygieneverhalten selbst zu heilen, indem sie u.a. kranke oder verkühlte Brut ausräumen. Dieses Hygieneverhalten, das für die Gesundheit der Bienen von entscheidender Bedeutung ist, wird von vielen Faktoren beeinflusst, z.B. von Trachtangebot, Zucht/Selektion, Völkerführung und Verhältnis Volk/Raum. Wenn der Raum der Bienenbeute zu groß ist und die Bienenzahl zu gering, dann haben die Bienen je nach Innen- und Außenverhältnissen weniger Zeit, um alles zu putzen und befallene Brut auszuräumen. Die Zeit der Erweiterung der Beute ist nach seiner Aussage ein kritischer Zeitpunkt: „Der häufigste Grund für den Ausbruch von AFB und anderen Krankheiten ist ein zu frühes Aufsetzen oder Erweitern“ [65]. Ein wildes Bienenvolk verändert seine Nestgröße variabel, baut nur so viele Waben, wie es braucht. Sollten Waben länger unbesetzt sein, schrotet die Wachsmotte sie ab. Honigbienen und Wachsmotten sind im Laufe der Evolution eine Symbiose zu beiderseitigem Nutzen eingegangen. Der Ausbruch von Krankheiten wird auf diese Weise verhindert. Die Kalkbrut ist ein Anzeiger dafür, dass das Hygieneverhalten nicht ausgeprägt ist. Die wichtigste Maßnahme ist nach der Entnahme solch einer Brutwabe, ein gutes Verhältnis Bienen/Raum durch den Einsatz von Trennschieden herzustellen, die variabel den Raum regulieren können [30]. Auch Zander hat seine Völker in seinen Original-Zanderbeuten mithilfe eines Schiedes geführt [64].

(Kap. 5 aus: Sigrun Mittl, Zukunftsfähige Naturnahe Hobby-Bienenhaltung und Naturnahe Resistenzzucht, Stoffsammlung für ein Buch-Manuskript; Stand: Dezember 2016 [36])

 

Literaturverzeichnis

[1] E. Zander, „Bericht über die Tätigkeit der K. Anstalt für Bienenzucht in Erlangen im Jahre 1916,“ Landwirtschaftliches Jahrbuch für Bayern, Nr. 1, 1917.
[2] A. F. Magerstedt, Der Praktische Bienenvater oder Anleitung zur Kenntiß und Behandlung von Bienen besonders in Honigarmen Gegenden, Sondershausen, 1856.
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