Imkerei ist kein Bienenschutz und kein Naturschutz

Sigrun Mittl, Dipl.-Biologin, www.bienen-dialoge.de, Mai 2018

 1. Warum glauben wir, dass Imkerei Bienenschutz oder Naturschutz sei?

Immer wieder werde ich angefragt, Menschen beim Aufbau z.B. einer Bienen-AG zu unterstützen. Viele Menschen haben vom Bienensterben gehört und möchten nun aus Naturschutzgründen etwas für die Bienen tun. Aber sie meinen damit leider meist nur die Honigbienen. Aus gegebenem Anlass möchte ich dazu als Naturschutz-Biologin und Naturimkerin einige Worte sagen:

Ich bin selbst Imkerin und von daher unverdächtig, der Imkerei schaden zu wollen. Ich bin aber auch Biologin und Verbraucherin. Deshalb engagiere ich mich für die Artgerechte Honigbienenhaltung UND den Natur- und Artenschutz.

Was ist da geschehen, wenn ein Film im Fernsehen, der sich laut Titel mit dem Insektensterben beschäftigen möchte, sich hauptsächlich mit den Honigbienen in Imkerhand beschäftigt? Es scheint so zu sein, dass die Menschen, wenn sie Bienen hören, sofort an die Honigbienen denken. An die Wildbienen denkt dagegen nahezu niemand. Der Verlust von Honigbienen-Völkern ist zwar dramatisch, aber zum großen Teil hausgemacht. Das dramatische Wildbienen-Sterben geschieht im Vergleich dazu nahezu im Verborgenen, was dazu führt, dass alle die Honigbienen schützen möchten, die bis auf wenige Ausnahmen (wild lebenden Honigbienen-Völker) keinen Schutz benötigen. Schutz, wirkliche Aufmerksamkeit und große Schutzanstrengungen dagegen benötigen die Wildbienen und alle anderen Insekten.

Was ist hier geschehen? Wie kann es sein, dass Naturschutzverbände, Naturschutzstiftungen, die offiziellen Naturschutzbehörden, die Medien und die Menschen insgesamt den Insektenschutz, den Bienenschutz häufig mit dem Honigbienen“schutz“ verwechseln?

Ist die Imkerlobby einschließlich der meisten Bieneninstitute so stark? Die Antwort lautet: JA.

Sie ist so stark, dass sie verschleiern konnte, dass sie für die Ausrottung unserer einheimischen Dunklen Honigbiene die Hauptverantwortung trägt. Die Naturschutzstellen haben das bis heute nicht bemerkt oder nicht so ernst genommen und die Dunkle Biene, Apis mellifera mellifera, bis heute nicht auf die Rote Liste mit „0“ für „ausgestorben“  gesetzt (Ausnahme: Rote Liste des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen).

Sie ist so stark, dass bis heute im Bundesnaturschutzgesetz die Art Apis mellifera von der Artenschutzverordnung ausgenommen ist.

Sie ist so stark, dass die Menschen nicht wissen, dass bis vor 150 Jahren eine einheimische Honigbiene in unseren Wäldern wild und frei und gesund! lebte.

Sie ist so stark, dass die Menschen bis heute glauben, Imkerei sei Naturschutz oder gar Bienenschutz.

Sie ist so stark, dass die Menschen glauben, die Honigbienen sind die Hauptbestäuber-Art für unsere Nutz- und Wildpflanzen.

Sie ist so stark, dass die Menschen bis heute glauben, die Honigbienen werden artgerecht gehalten. Eigentlich ist sie so stark, dass die Menschen gar nicht wissen, wie Honigbienen gehalten werden.

Sie ist so stark, dass die Menschen glauben, ohne die Imkerei würden die Honigbienen aussterben und sie ist so stark, dass die Menschen glauben, an den Bienenständen leben gesunde Honigbienen.

Sie ist so stark, dass die Menschen gar nicht wissen, was es bedeutet, wenn sie Honig kaufen können. Es bedeutet, dass die Honigbienen als Ersatz für ihre Nahrung Zucker gefüttert bekommen, mit dem sie den Winter überstehen sollen.

Sie ist so stark, dass viele Menschen glauben, wenn sie mit der Imkerei beginnen, dass sie artgerecht imkern lernen. Das tun sie in den meisten Fällen nicht, da die meisten Imkervereine intensive bis intensivste Bienenhaltung lehren mit Imkerpraktiken, die aus meiner Sicht als Tierquälerei bezeichnet werden müssen.

 

2. Wie konnte das geschehen?

Nur mit Hilfe der Politik. Es ist so praktisch und bequem. Da die Menschen glauben, mit dem Honigbienen“schutz“, der leider keiner ist, ist dem Bienenschutz Genüge getan. Alle sind beruhigt, weil sie glauben, dass damit dem Insektensterben Einhalt geboten wird, auch wenn das falsch ist. Da heute viele Player „Bienenschutz“ betreiben, indem sie die Imkerei fördern, lenken sie wunderbar davon ab, dass Bienenschutz eine Änderung der Landwirtschaftspolitik bedeuten würde. Und weiter munter in den Abgrund…

 

3. Was ist die Imkerei wirklich?

Die Imkerei ist Nutztierhaltung wie die Haltung von Kühen, Schweinen und Hühnern. Und Nutztierhaltung kann artgerecht erfolgen, was die Ausnahme ist, und Nutztierhaltung kann in Form der intensiven Nutztierhaltung ohne Rücksicht auf das Tierwohl erfolgen.

Wir fordern als Gesellschaft von den Tierhaltern, dass sie sich bekennen: halten sie ihre Tiere artgerecht oder stammt das Produkt aus der Massentierhaltung. Dann können sich die Menschen entscheiden.

Die Imkerei ist in den meisten Fällen, sogar wenn sie als Hobby-Imkerei betrieben wird und leider sogar wenn sie als Bio-Imkerei betrieben wird, intensive Tierhaltung ohne Rücksicht oder mit sehr wenig Rücksicht auf das Tierwohl. Die Honigbienen in Imkerhand werden in den allermeisten Fällen nicht artgerecht gehalten, auch nicht, wenn sie „wesensgemäß“ gehalten werden. Der Fokus wird auf angeblichen Bienenschutz und auf die böse Varroa-Milbe und ihre fast schon heldenhafte Bekämpfung durch die Imker gelegt. Die Milbe wird als der wahre Feind aufgebaut, womit wunderbar von der intensiven Tierhaltung abgelenkt werden kann und Millionen Gelder in den angeblichen „Honigbienenschutz“ fließen und ein Bruchteil in den Schutz der Wildbienen. Es wundert nicht, wenn Fachleute die Krankheiten der Honigbiene als „infektiöse Faktorenkrankheit“ bezeichnen, eine Diagnose, die wir aus der Massentierhaltung kennen. Könnte hier ein Zusammenhang bestehen?

 

4. Ist die Zeidlerei artgerechte Honigbienenhaltung? Nicht per se!

Die traditionelle Imkerei ist nicht! die konventionelle Imkerei! Die traditionelle Imkerei waren die Zeidlerei und die Strohkorb- und Klotzbeuten-Imkerei. Aber Achtung: Auch die traditionelle Imkerei wird heute oft als Feigenblatt benutzt und intensive Bienenhaltung mit Zuckerfütterung (nicht nur im absoluten Notfall) und Behandlung  gegen die Varroa praktiziert, nur in einer anderen Verpackung. Die traditionelle Bienenhaltung wie die Zeidlerei wird ad absurdum geführt, wenn sie nun auch in den ursprünglichen Lebensraum Wald kranke Honigbienen-Völker einbringt oder sogar „züchtet“, dann, wenn sie gegen Varroa behandelt und nach Entnahme des Honigs als Winterfutter Zucker füttert.

 

5. Was ist Bienenschutz?

Viele Leute probieren die Imkerei aus, weil sie etwas für die Natur oder für die Bienen tun wollen. Dann stellen sie fest, dass sie nahezu nichts für die Natur und nichts für die Bienen tun, wenn sie imkern. Das ist einfach so.

Der Hype um das Nutztier Honigbiene lenkt von der wahren Katastrophe ab: Knapp 53% aller Wildbienen-Arten Deutschlands stehen auf der Roten Liste.

Wenn Sie etwas für den Bienenschutz tun möchten, kann ich Ihnen nur empfehlen, die Informationen des besten Wildbienenkenners Deutschlands, Dr. Westrich, die er auf www.wildbienen.info zusammengestellt hat, in Ihrem heimischen Garten und Umfeld umzusetzen. Ebenfalls zu empfehlen ist die Seite www.wildbienen.de.

In Buchform vom Autor Dr. Westrich: „Wildbienen – die anderen Bienen“ und  „Die Wildbienen Deutschlands“.

Die Nagelprobe: Wieviele Imkerinnen und Imker sind zwar im Imkerverein, aber nicht in einem Naturschutzverein? Echter Bienenschutz ist dem Bund Naturschutz in Bayern, dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern, dem BUND, dem NABU u.a. ein großes Anliegen. Fördern Sie diese Arbeit, wenn Ihnen die Bienen und die Insekten und überhaupt die gesamte Natur am Herzen liegen.

Übrigens: Die Private Haftpflichtversicherung deckt in der Regel auch die Haltung von Honigbienen ab.

 

6. Wie sieht der Schutz von Honigbienen aus?

Honigbienen werden u.a. durch folgende Aktionen geschützt:

a) Suche und Unterschutzstellung der letzten – wenn überhaupt noch vorhandenen – wilden Honigbienen-Völkern der in Deutschland einzigen einheimischen Honigbiene, der Dunklen Biene Apis mellifera mellifera

b) Auflistung der Dunklen Biene in den Roten Listen als ausgestorben bzw. bei Erfolg von a) vom Aussterben bedroht

c) Wiederansiedlung der Dunklen Biene in geeigneten Gebieten

d) Änderung der Artenschutzverordnung der Bundesrepublik Deutschland

e) Kartierung und Unterschutzstellung der verwildert lebenden Honigbienen-Völker

f) Schaffung von Nistmöglichkeiten (Zeidelhöhlen, geeignete Nistkästen – 1 Nisthöhle auf 1km²) für Schwärme in Wäldern, Parks und in der Stadt – und dann Umsetzung von e)

g) Umsetzung meines Projektes „Deutschlands Bienengarten“ oder/und Einrichtung weiterer Honigbienenschutzwälder

h) sowie durch Naturnahe, artgerechte Honigbienenhaltung, die das Tierwohl und die Tierethik in den Mittelpunkt stellen

 

7. Naturnahe, artgerechte Honigbienenhaltung

Und wenn Sie wirklich Imkerin oder Imker oder gar Zeidlerin oder Zeidler werden möchten, imkern sie artgerecht und naturnah, behandlungsfrei und zuckerfrei. Und wenn sie intensive Bienenhaltung betreiben möchten, können Sie das natürlich auch tun. Hauptsache, Sie wissen was Sie tun und andere wissen es auch.

Durch die Lobbyarbeit der Imkerverbände werden wir beruhigt und die Wildbienen, Schmetterlinge, Käfer, Libellen und alle anderen Tierarten sterben leise und dramatisch aus… wenn wir nicht endlich aufhören, uns selbst zu belügen und endlich echten Naturschutz unterstützen und artgerechte Tierhaltung und boden- und wasser-schützende Landwirtschaft.

 

8. Meine Fachartikel zu diesen Themen, zu finden auf der homepage www.Bienen-Dialoge.de:

Sigrun Mittl, Wild lebende und gemanagte Honigbienen und die Amerikanische Faulbrut (AFB) – heute und damals, Fürth Dez. 2016

Sigrun Mittl, Varroa-resistente und gesunde Honigbienen – Plädoyer und Argumente für eine artgerechte Bienenhaltung und Bienenzucht, Fürth Februar 2017

Sigrun Mittl, Apis mellifera und das Bundesnaturschutzgesetz, Fürth April 2017

Sigrun Mittl, Deutschlands Bienengarten© – Ein Beitrag zu Natur- und Kulturschutz – Skizzierung eines Modellprojektes zu Zeidlerei, Bienenforschung, Naturschutz und Umweltbildung im Sebalder und Lorenzer Reichswald bei Nürnberg, 2. überarbeitete Fassung, Fürth Mai 2017

Sigrun Mittl, Kann die Fütterung von Zucker- oder Invertzucker-Sirup ein wirklicher Ersatz für den Honig der Honigbienen (Apis mellifera) sein? – Zweite ergänzte Fassung, Fürth, Juni 2017

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