Imkerbienen im Reichswald ist nicht gleich „Deutschlands Bienengarten“

Stellungnahme 24.07.2017 zu den Veröffentlichungen der Bayerischen Staatsforsten in den Nürnberger Nachrichten vom 7. Juni 2017 „Neue Imker braucht der Wald“ und dem online-Artikel vom 20.07.2017 „Bayerische Staatsforsten und Imkerverbände setzen sich gemeinsam für die Bienen ein“ (www.forstpraxis.de)

Sehr geehrter Herr Blank, sehr geehrter Herr Neumeyer,

Ich freue mich sehr darüber, dass mein Projekt „Deutschlands Bienengarten“, das ich Ihnen, Herr Blank, im Mai letzten Jahres mit dem Zusenden meiner Projektbroschüre vorgeschlagen habe, dazu geführt hat, dass das Ökosystem Wald als Heimat der Honigbienen wieder ins Bewusstsein gerückt ist und die BaySF sich jetzt der Trachtverbesserung in den Wäldern engagiert widmet. Das ist ein wirklich gutes Ziel!

Auf der anderen Seite finde ich es sehr unhöflich und wenig wertschätzend, dass Sie nie das Gespräch mit mir gesucht haben, jetzt aber den Begriff „Deutschlands Bienengarten“, den ich geprägt habe, für Ihre Initiative, mit den Imkerverbänden zusammenzuarbeiten und etwas für die Honigbienen zu tun, zwar übernehmen, aber das Ziel meines Projektes völlig verfremden, ja ad absurdum führen!

Ich habe das Projekt geschrieben, weil die Situation der Honigbienen sehr besorgniserregend ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Widerstandskraft und Vitalität unserer Honigbienen nur steigern können, wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, im Wald natürlich zu nisten und sie der Natürlichen Selektion anheimgeben. Deshalb kam ich auf die Idee, das historische Kulturerbe Zeidlerei wiederzubeleben und es in ein zukunftsweisendes Projekt einzubinden.

Die Honigbienen in Imkerhand leiden nicht zuvorderst an der Varroa, sondern an einer Infektiösen Faktorenkrankheit mit Symptomen, wie sie aus der Massentierhaltung bekannt sind. Einer der Stressfaktoren für die Honigbienen sind die Imkerpraktiken, wie sie gelehrt und von den meisten Imkern unter dem Motto „Gute Imkerliche Praxis“ praktiziert werden. Leider ignorieren die Imkerverbände diese wissenschaftlich bestätigte Diagnose und machen weiter wie bisher.

Jetzt die Bienen in den Kästen in den Wald zu stellen und nach der üblichen Imkerpraxis zu beimkern, lässt alles beim Alten. Die Bienen werden intensiv bewirtschaftet, mit Zucker gefüttert, gegen die Varroa behandelt; das züchtet hoch ansteckende Varroen und hoch ansteckende Viren. Daran ist nichts nachhaltig und nichts bienengemäß. Zudem drohen die Imkervölker, die viel zu viele Individuen aufweisen und massiv mit Viren belastet sind

a) den Wildbienen gefährlich zu werden,
Zum einen, weil diese dann um die Pollen und den Nektar mit Riesenvölkern konkurrieren und meist den Kürzeren ziehen, zum anderen, weil hoch ansteckende Viren auf die Wildbienen übergehen können.

b) für natürlich nistende Honigbienenvölker, deren Standorte wir noch gar nicht kennen und die vielleicht schon varroaresistent und gesund sind, eine nicht kalkulierbare Quelle von Krankheitserregern sein können, die auf diese verwilderten Völker überspringen können.

Der Deutsche Imkerbund D.I.B. hat im Juni 2016 mein Konzept in seinem Präsidium behandelt und es abgelehnt, ohne mit mir ins Gespräch zu gehen. Die Begründung für die Ablehnung, dass nämlich solche wildlebenden Honigbienenvölker eine Seuchengefahr für die Bienen in Imkerhand bedeuten könnten, verdreht die wissenschaftlichen Tatsachen und zeigt leider nur, dass die Imkerverbände die wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die klar aufzeigen, dass das schwache Immunsystem der Bienen in Imkerhand durch die Imkerpraxis mit verursacht und nicht durch wilde Völker ausgelöst wird, nicht zur Kenntnis nehmen und damit offensichtlich eine nachhaltige Gesundung der Honigbienen nicht zum Ziel haben, was wirklich bedauerlich ist.
Das Ziel muss sein, die Honigbienen wieder in den Wald zu bringen, in natürliche Höhlen oder aufgehängte Klotzbeuten, und sie dann in Ruhe zu lassen, damit sie sich über die Natürliche Selektion an die Krankheitserreger anpassen und widerstandsfähig werden. Verbunden mit einer Kontrolle und mit Beprobungen, das ist klar. Nur auf diese Weise nehmen wir einige der Stressfaktoren, für die wir als Imker/innen verantwortlich sind, von den Bienen. Die Bienen in den Wald zu stellen und weiter nach den bisherigen Praktiken zu „bewirtschaften“ ist für das Ziel, gesunde und widerstandsfähige Bienen zu bekommen, völlig falsch. Das ist weder Waldimkerei noch Zeidlerei und schon gar keine nachhaltige artgerechte Bienenhaltung!

Ich kann nachvollziehen, dass Sie meinem wissenschaftlichen Sachverstand nicht vertrauen. Daher habe ich Ihnen das Kapitel „Wildlebende Honigbienenvölker sind eine wertvolle genetische Ressource“ aus dem neuen Buch „Auf der Spur der wilden Bienen“, von Prof. Seeley, einem der weltweit angesehensten Bienenforscher, angehängt, in dem er sowohl bezüglich der Diagnose als auch bezüglich der neu zu beschreitenden Wege zu den gleichen Ergebnisssen kommt wie ich.

Sicher möchten auch Sie sich wahrhaft für den Schutz der Honigbienen einsetzen und so würde ich mich über ein Gespräch sehr freuen, um die oben angesprochenen Themen zu erörtern. Ich habe Ihnen meine zweite Version „Deutschlands Bienengarten“ noch einmal angehängt. Darin werbe ich für die Zeidlerei und eine naturnahe Imkerpraxis. Dies geht nur zusammen mit den Imkerverbänden und den Imkerinnen und Imkern. Allerdings müssten dafür die Imkerpraktiken verändert werden. In diesem Sinne biete ich Ihnen nochmals eine gemeinsame Zusammenarbeit an.

So wie der Forst Ebrach mit dem Baumwipfelpfad glänzen kann, so könnte der Nürnberger Reichswald mit dem ersten und fortschrittlichsten Bienenschutzwald Deutschlands glänzen, einem Projekt, das uns mit den polnischen und russischen Zeidlern und Förstern verbinden würde und allen Imkerinnen und Imkern für die Zukunft varroaresistente und gesunde Honigbienen und wertvollsten Waldhonig schenken könnte. Bitte unterstützen Sie mich dabei, die Chance zu nutzen, die Zeidlerei als uraltes Kulturerbe mit echtem Naturschutz, Umweltbildung und wissenschaftlicher Forschung zu verbinden. Das würde den Reichswald zu einem wirklichen Bienengarten und europaweit bekannt machen.

Mit herzlichen Grüßen

Sigrun Mittl

Dipl.-Biologin, Freie Bienenwissenschaftlerin, Bienensachverständige

24.07.2017