Nest-Duft-Wärme-Bindung nach Thür

Sigrun Mittl, Dipl.-Biol., bienen-dialoge.de, Fürth März 2017

Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem Buchmanuskript „Zukunftsweisende artgerechte Hobby-Bienenhaltung und Hobby-Bienenzucht“

 

Johann Thür hat 1946 ein bemerkenswertes Buch geschrieben, „Bienenzucht – Naturgerecht, einfach und erfolgssicher“, in dem er seine Antwort auf die schon damalige Zunahme von Bienenkrankheiten gibt:

„Seit Einführung des Rähmchens, das sind nunmehr rund hundert Jahre, hat sich die fortschrittliche Imkerschaft zur Gänze den Rahmenbeuten zugewendet. […]. Daß aber alle bestehenden Rahmenbeuten dem Bien bedeutende Mängel und Schäden verursachen und die Erträge empfindlich herabsetzen, das ist so gut wie unbekannt, weil die heutige Imkerschaft von den Naturerfordernissen des Biens fast durchweg keine Ahnung mehr hat. Das Lebenselement, die N e s t d du f t w ä r m e b i n d u n g, wurde mit den ringsum offenen, wärmeverströmenden und zugigen Wabenrähmchen gründlich zerstört. Die verheerenden Folgen geben dieser Kunstbienenzucht das Gepräge und müssen zur Erkenntnis führen, dass alle bestehenden Rahmenbeuten naturwidrig und verwerflich sind. Die Einsicht, dass unser Sonnenvöglein, der Bien, die Wärme braucht, muß sich zu jener Klarheit durchringen, daß die Honig als Heizstoff erfordernde Nestduftwärme gebunden bleiben muß und daß sich Behandlung und Betriebsmittel wie Wohnung, dem streng anzupassen und unterzuordnen haben. – Und von diesem Gebot hat uns die fortschreitende Entwicklung, die Stufe der Kunstbienenzucht auf gefährliche Abwege geführt.

Es steht einwandfrei fest, daß sich mit den Rahmenbeuten d u r c h  A u ß e r-    a c h t- l a s s u n g  d e s  G e s e t z e s  d e r   k e i m f r e i e n  N e s t d u f t-         w ä r me b i n d u n g, gleichzeitig die Bienenseuchen entwickelt und verbreitet haben. Sie sind seither zu einer ständigen und unausrottbaren Erscheinung geworden. – Voran die Nosema, die in Deutschland allein innerhalb zehn Jahren 800.000 statistisch erfaßte Völker vernichtete. – Die U.S.A. führt seit Jahrzehnten unter Aufwendung bedeutender Mittel einen erfolglosen Kampf gegen die Faulbrut. – In Rußland wurden 1932 von 18.000 Völkern 10.000 mit Nosema in allen Stadien befunden. – Bei der Wanderversammlung 1936 in Karlsbad wird rühmend hervorgehoben, daß in Böhmen die Gerstungsche Lehre und Beute die alten Stockformen mit Naturbau zum Aussterben brachte und ebenso wird in einem Zug berichtet, daß seit einer Reihe von Jahren die überhandnehmenden Seuchen den Bienenzüchtern schwere Sorgen bereiten und daß zahlreiche Krankheiten Jahr für Jahr die Erträge schmälern. Alle anderen Länder berichten ständig von bedeutenden Verlusten.

Hingegen Gebiete mit noch bestehender Naturbienenzucht melden gesunde Völker mit befriedigenden Erträgen. […]. Vor zwanzig Jahren, auf der Wanderversammlung 1925 in Wien, hielt einer unserer feinfühligsten Beobachter, der seinerzeitige Leiter der österr. Imkerschule, Oekonomierat Weippl, einen Vortrag, wo er unter anderem ausführte: „Immer und immer wieder wird in Vorträgen und in der Fachpresse auf die wilde Biene im Walde hingewiesen, die, ganz auf sich selbst angewiesen, ohne irgendwelche Nachhilfe, sei es durch Fütterung, Mittelwände, Waben oder sonstige Pflege, doch prächtig gedeihe, denn, wird diese letztere Behauptung begründet, sonst wäre sie längst ausgestorben. Und endlich ist die von der Schöpfung der wilden Biene im Walde zugewiesene Wohnung eine ihr weit angemessenere und bessere als der kunstvollste und bestkonstruierte Bienenstock: der hohle Baumstamm, im Innern morsch, daher ungemein warmhaltig, nicht nässend, im Sommer undurchdringlich für übermäßige Wärme, d i e  W a b e n  a l l s e i t i g  a n   d i e  W ä n d e  a n g e b a u t, nicht kulissenartig frei hängend wie im Rähmchen, für uns Imker freilich die unzweckmäßigste, f ü r  d i e  B i e n e n       a b e r  d i e  u n ü b e r t r e f f l i c h  b e s t e  W o h n u n g. Die Lebensbedingungen der wilden Biene im Walde sind weit besser als die unserer Hausbienen und diese Nachteile können wir nur durch sorgsamste Pflege, möglichsten Schutz und entsprechender Fütterung wenigstens teilweise, n i e  a b e r  v o l l  u n d  g a n z  e r s e t z e n.“ […]. Der in den Rahmenbeuten ständig entstehende Wärmeverlust muß vom Bien fortlaufend durch vermehrte Zehrung ersetzt werden, k o s t e t  v i e l  H o n i g und gelingt bei unvorhergesehenen Witterungsrückschlägen nicht immer. Verlassene Brut, Krankheitsherde und Seuchen sind dann die Folgen. – Verkrüppelte Bienen, schwächlicher Nachwuchs, verspätete Entwicklung, vermehrte Bindung von Wärmebienen, Mangel an Trachtbienen sind selbst bei bester Pflege und günstiger Witterung trotzdem unausbleiblich und schmälern den Ertrag. Die Wärmeabwanderung verursacht das Kandieren der winterlichen Vorräte und die bedeutend vermehrten Heizzehrungen machen die unnatürliche Zuckerergänzung erforderlich […].“ [1]

Thür stellt in seinem Buch die Naturbau-Magazinbeute (Stabilbau) des Imkerpioniers und Naturforschers Johann Ludwig Christ vor, wo die Zargen unter- und nicht aufgesetzt werden,  und zitiert diesen: „Ueber Krankheiten selbst schrieb Christ, daß er keine Krankheiten kenne, Er empfiehlt: „Man halte sich nur volkreiche Stöcke und lasse ihnen immer starken Vorrat an Honig, so wird man zu seinem Nutzen ein Fremdling bleiben in den Bienenkrankheiten. Ihre einfache Speise von dem besten Saft der Pflanzen und Blumen bewahret sie überhaupt vor Krankheiten.“ [1] Ziel müsse es sein, wie Thür fordert, Siedlern und Bauern als berufene Bienenzüchter möglich zu machen, „mit einer leicht selbst herstellbaren einfachen Bienenwohnung, ohne besonderen Aufwand an Material, Fachkenntnissen, Geld und Arbeit, ohne Maschinen und Geräte, ohne Zuckerverbrauch und Kunstwaben, auf rein naturgemäße Art, erfolgreich zu imkern.“ [1]

Literaturverzeichnis

[1] J. Thür, Bienenzucht – Naturgerecht, einfach und erfolgsicher, Wien: 44 S., 1946.

 

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