„Netzwerk Gesunde Honigbienen“

Mit dem Motto: weltumspannend * behandlungsfrei * gesund

© Sigrun Mittl – Dipl.-Biol. – bienen-dialoge.de – September 2024

Manche von Ihnen werden sich vielleicht wundern, dass ich so ein verspieltes und nahezu kitschiges Logo für mein neues Projekt gewählt habe. `Das ist dem Ernst der Lage ja gar nicht angemessen`, mögen Sie vielleicht denken. Ich habe es ganz bewusst gewählt. Ich denke, wir haben uns mit dem jahrzehntelangen „Behandeln“ der Honigbienen gegen die Varroamilbe in eine Sackgasse manövriert. Wir haben verbissen immer weiter behandelt, mit immer stärkeren Säuren, mit immer häufigeren Behandlungen, immer naturwidrigeren Methoden; wir schneiden Drohnenbrut, wir entnehmen Brut, wir käfigen die Königin. Das sind alles Dinge, die wir eigentlich doch gar nicht tun möchten.

Im Innersten, da bin sich sicher, wollen wir das alle nicht, weil wir die Honigbienen damit letztendlich quälen, und das spüren wir doch auch. Wir wollen das nicht, aber wir glauben, wir müssen das tun und wir lassen davon nicht mehr ab. Wir sind da verbohrt, teils in Schützengräben dogmatisch im Kampf verhakt und haben uns völlig verrannt. Aber anstatt uns das einzugestehen und anzuerkennen, dass es so nicht mehr weitergeht, schütten wir jedes Jahr wieder und wieder Säuren und Antibiotika in die Völker.

Deshalb diese verspielte, Hoffnung ausstrahlende Grafik (© Marco Warstat). Lassen Sie uns noch mal neu starten. Lassen Sie uns da noch mal völlig neu rangehen, spielerisch, kreativ, lebendig; lassen Sie uns mit neuer Freude und neuem Mut noch mal neue Lösungen suchen und finden, neue Wege auftun, unkonventionelle Wege auftun, wie wir es schaffen können, wirklich behandlungsfrei gesunde Honigbienen auf unserem Imkerstand zu halten. Wieder mit Freude imkern, wie es früher einmal war, bevor wir gedacht haben, wir müssten jeden neuen Erreger als Feind betrachten und gegen ihn ins Feld ziehen.

Und wir können zurecht hoffen! Einige mutige Imkerinnen und Imker haben sich schon aufgemacht, haben ihr ungutes inneres Gefühl ernst genommen und neue Wege ausprobiert – und haben teilweise Erfolg. Daran können wir anknüpfen. Mein Anliegen mit der Gründung des „Netzwerkes Gesunde Honigbienen“ besteht darin, alles, was wir an Erfahrungen machen auf diesem Weg, zusammenzuführen, miteinander zu teilen, bis wir zu dem Ziel gelangt sind, wieder mit beglückender Freude zu unseren Honigbienen gehen zu können, sie einigermaßen entspannt und gesund zu erleben und hochwertigen Honig zu ernten, ohne schlechtes Gewissen, sie gequält zu haben.

Aus diesem Grund habe ich im September 2024 nach langem Zögern das „Netzwerk Gesunde Honigbienen“ ins Leben gerufen mit dem Motto „Weltumspannend – behandlungsfrei – gesund“.

In einem ersten Schritt möchte ich diejenigen Imkerinnen und Imker bitten, mich vertrauensvoll zu kontaktieren, die seit mindestens 6 oder 7 Jahren, besser seit 10 Jahren, behandlungsfrei imkern, wenig Verluste verzeichnen und gesunde Honigbienen halten, gleich ob es sich um das Imkern mit der jeweils einheimischen Unterart z.B. „Dunkle Biene“ oder „Kärntner Biene“, der Mischbiene „Landbiene“ oder der Zuchtrasse „Buckfast“ handelt. Alles Weitere wird sich organisch Schritt für Schritt entfalten. Ich halte Sie auf dem Laufenden. Seien Sie gespannt und verfolgen und gestalten Sie das Werden fröhlich mit. Dazu möchte ich Sie einladen.

Und jetzt möchte ich den ernsten Teil dieses Behandlungsdramas beschreiben, die Lage schildern, wie sie sich aus meiner Sicht darstellt, ohne sie zu beschönigen. Wenn Sie mögen, lesen Sie den obigen Text danach noch einmal, um an die Freude, den Mut und die neu geschöpfte Hoffnung anzuknüpfen, die Sie hoffentlich beim Lesen der ersten Zeilen in sich verspürt haben.

Varroaresistente Honigbienen – wie schön wäre das. Wollen wir nicht alle wieder entspannt imkern und den Honigbienen die quälende „Behandlung“ mit Säuren, Antibiotika und Amputation in Form der Brutentnahme und des Drohnenschneidens ersparen? Können diese Behandlungsweisen wesensgemäß, naturgemäß oder ökologisch sein? Nein, das können sie nicht und das sind sie nicht! Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir das auch! Wir belügen uns damit selbst.

Wir wollen nicht mehr behandeln, aber wir bekommen von allen Seiten zu hören, dass das nicht geht! Warum sollte das nicht gehen? Natürlich geht das. Das Ziel der Natur ist es, alles dafür zu tun, gesunde Lebewesen zu schaffen und sie gesund am Leben zu erhalten. Und das Ziel der Lebewesen ist es, im Zusammenspiel mit der Umwelt ihre Art zu erhalten. Dabei sind es nicht die Gene allein, die über die Überlebensfähig- und Anpassungsfähigkeit entscheiden. Sie sind eigentlich nur wie Buchstaben oder Tasten auf dem Klavier. Die Lebewesen entscheiden selbst, auf welche Weise sie ihren Genpool nutzen. (1) (2) (3)  Ihre kreativen und genialen oder eben weniger genialen Strategien, diesen Genpool zu nutzen, ermöglichen es ihnen, innerhalb der Umwelt gesund zu leben und ihre Art zu erhalten. Wenn sie krank werden, sterben sie, was nur zeigt, dass sie es nicht vermocht haben, alle Register zu ziehen, aus sich heraus wieder zu gesunden.

Alles andere wäre unnatürlich – und so nimmt es nicht Wunder, wenn wir weltweit von varroaresistenten Honigbienen hören, die wild oder in der Obhut von Erwerbs- oder Hobbyimkern leben. Das ist alles wissenschaftlich längst erforscht und dokumentiert, sozusagen ein alter Hut.

In meinem Buch „Nachhaltig imkern mit gesunden Honigbienen“ (4) habe ich u.a. zwei wichtige Punkte herausgearbeitet und mit wissenschaftlichen und imkerlichen Quellen belegt, die für die Gesundung der Honigbienen ausschlaggebend sind:

  • Die gesamte Geschichte der Imkerei hat gezeigt, dass jede Behandlung gegen Krankheiten nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat. Im Gegenteil, die Honigbienen wurden immer kränker. Herr Mentzer, der zweite Bundesleiter des Deutschen Imkerbundes bezeichnete daher 1951 die Bekämpfung eines Schädlings als „verhängnisvollsten Fehlgriff“, da während der Behandlung befallener Völker die Völker im Umkreis befallen wurden, was dazu führte, dass binnen Jahren alle Länder milbenverseucht wurden: „Durch die Anwendung von Heilmitteln (…) gelingt es wohl, die Bienenvölker ertragsfähig zu halten, aber geheilt werden sie, wie bereits betont, fast niemals.“ (5)
  • Die Honigbienen nutzen je nach Volk die verschiedensten Verhaltensweisen, mit Krankheiten umzugehen. Die einen vertrauen vor allem auf das Grooming, die anderen mehr auf das Ausräumen kranker Brut, die dritten nutzen vor allem das Recapping. Die Strategien sind zahlreich und jedes Volk sucht sich nach noch unbekannten Kriterien eine Mischung daraus aus und gibt sein Bestes, in ein gesundes Gleichgewicht zurückzufinden. Aus diesem Grund macht es keinen Sinn, auf dem Weg zu gesunden Honigbienen nur auf eine Verhaltensweise zu bauen, sondern das Volk zu beobachten, welche es wählt und es dabei zu unterstützen, gesund zu werden

Wir hätten es also wissen können. Nachdem die Varroa ab 1970 nach Deutschland eingeschleppt wurde, konnte sie sich aufgrund der ungünstigen Imkerpraktiken schnell ausbreiten. (6) Leider haben die Honigbienen-Institute die Gesetze der Evolution, in die die Gesetze der Genetik, Epigenetik und der morphischen Felder eingebunden sind, sowie die eindeutigen Erfahrungen aus dem Umgang mit den bisherigen „Schädlingen“ ignoriert. (7) (4) Sie hätten sofort eine konzertierte Aktion starten müssen, wie sie die Natur selbst auch gestartet hätte: sterben lassen, wer es nicht schafft, und die Goldvölker finden, die es schaffen und diese gezielt vermehren. So geschah es zum Beispiel auf Kuba, wo nach illegalen Honigbienen-Importen die Varroamilbe mit eingeschleppt wurde und Behandlungsmittel Gott sei Dank zu teuer waren. Nach einem Einbruch der Völkerzahlen blieben die Völker übrig, die aus sich heraus resistent werden konnten; mit diesen imkern die Imker auf Kuba heute behandlungsfrei. (8)

Wir haben den falschen Weg gewählt und müssen uns das heute eingestehen. Wenn wir nach fast 50 Jahren „Behandlung“ gegen eine Erkrankung nur noch öfter behandeln müssen, dann haben wir etwas falsch gemacht. Die Honigbienen müssten nach einer oder spätestens nach ein paar Behandlungen gesund sein, doch das sind sie nicht. Sie sind heute chronisch krank. Wie können wir glauben, dass eine Methode, die nicht wirkt, wirkt? Mehr vom Falschen wird es nicht richten.

Wie Bruder Adam 1953 schon sagte: „Eine der wichtigsten Aufgaben der Züchtung ist die Entwicklung von Bienenstämmen, die im weitesten Maß krankheitsfest sind, die also den Krankheiten widerstehen und demnach jede Heilmittelbehandlung ersparen. Alle Heilmittelbehandlung hat den Nachteil, daß ihre Wirkung – so eine Ausschaltung der Krankheit tatsächlich erfolgt – von vorübergehender Dauer ist. In anderen Worten: Sobald man zu Heilmitteln greift, bedingt deren Gebrauch ständige Anwendung. Ein anfälliges Volk wird erneut infiziert und erneut der Krankheit zum Opfer fallen. Die Milbenresistenz ist ein leuchtendes Beispiel in dieser Hinsicht.“ (9) (Er bezog sich auf die Tracheenmilbe).

Bis vor einigen Jahrzehnten hätte es noch genügt, die Honigbienen naturgemäß zu halten, um sie wieder gesunden zu lassen, wie es Dr. Steche 1961 in einem Zitat auf den Punkt gebracht hat: „Behandelt die Bienen ihrer Natur gemäß, dann werden die Sorgen um ihre Krankheiten ganz von selber schwinden.“ (10)

Die bitteren Erfahrungen der letzten Jahre haben mir gezeigt, dass das Halten der Honigbienen in gedämmten Beuten, der Verzicht auf Behandlung und Zuckerfütterung, Einzelaufstellung und Naturwabenbau in der Regel zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht ausreicht, die Gesundung der Honigbienen zu erreichen. Die künstliche Bienenzucht und die intensive Bienenhaltung haben ihren Tribut gefordert.

Gontarski hat schon 1952 vor den Folgen gewarnt: „Bienenvolk und Umwelt gleichen einem sehr feinen Räderwerk, das in Unordnung gerät, wenn an einem Rädchen ein Zahn verbogen ist. In der neuzeitlichen, rein rationalistisch orientierten Bienenzucht aber werden ganze Räder verbogen! Es ist sehr schwer, die Grenze zu erkennen, bis zu der Mißhandlungen noch ausgeglichen werden können. Fast stets aber werden die Folgen später sichtbar, zu einer Zeit, in der der Imker die ursächlichen Zusammenhänge nicht mehr zu erkennen vermag.“ (11)

Die meisten Völker sterben heute trotz naturnaher Haltung – bittere Stunden für alle, die sich voller Hoffnungen auf den Weg gemacht haben. Diese Völker sind einfach zu krank, als dass sie es zum jetzigen Zeitpunkt aus sich heraus schaffen könnten. Wir müssen neue Wege, andere Wege, auch verschiedene Wege suchen und gehen. Hauptsache nicht aufgeben und zur Behandlung zurück. Das wäre der falsche Weg. Lassen Sie uns diesen neuen Weg mit seinen vielen Verzweigungen gehen hin zu wirklich gesunden Honigbienen!

Ich bin mir sicher, dass einige Imkerinnen und Imker diese neuen Wege schon gegangen sind und gute Erfahrungen damit gemacht haben. Ich denke auch, dass sie alle unterschiedliche Strategien anwenden. Der eine hat die Strategie gewählt, Mittelwände mit kleineren Zellen zu geben, die andere wird auf die Dunkle Biene und auf Ableger setzen, die dritte mit Aufstellen der Völker im Wald und der Gabe von immunstärkenden natürlichen Substanzen die Gesundheit zu fördern hoffen. (12) Einzubeziehen ist in allen Fällen auch die Selektion der Völker je nach deren Fähigkeit, die Fortpflanzung der Varroa zu reduzieren (Grooming, VSH, Recapping, etc.)

Als Ziel haben die meisten von uns sicher im Kopf, im Lauf der Zeit auf diese „Krücken“ verzichten zu können und die Honigbienen wieder so nah an ihrem Wesen zu halten, wie es nur möglich ist.

Ich möchte es einfach nicht hinnehmen, dass die Honigbienen Jahr für Jahr weiter malträtiert werden, ohne wirklich gesund zu werden. Daher habe in meinem ersten Buch die Vision in den Himmel geschrieben, ein Land mit gesunden Honigbienen zu werden. Dazu gehört natürlich auch eine Wende in der Land- und Forstwirtschaftspolitik mit giftfreier Bewirtschaftung und echter Unterstützung für die Bauern, die die Böden wieder aufbauen, gesunde Tiere halten und gesundes Gemüse an uns verkaufen! Eine echte Bienen-Wende und letztlich eine echte Wende von der Zerstörung alles Lebendigen hin zur Verlebendigung und Wertschätzung allen Lebens.

Daher: Auf ein Neues und mit Freude und frischem Mut noch mal ans Werk!

Ihre Sigrun Mitt

 

 Literaturverzeichnis
  1. Noble, Denis. Dance To The Tune Of Life – Biological Relativity. Cambridge : Cambridge University Press, 2017.
  2. —. The Music of Life – Biology beyond genes. Oxford New York : Oxford University Press, 2006.
  3. Sheldrake, Rupert. Der Wissenschaftswahn – Warum der Materialismus ausgedient hat. München : Knaur Verlag, 2021.
  4. Mittl, Sigrun. Nachhaltig imkern mit gesunden Honigbienen – Aus Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft lernen. Bern : Haupt Verlag, 2021.
  5. Mentzer, Jakob. Die gefährlichste Bienenkrankheit – Die Milbenseuche. Südwestdeutscher Imker 3 (2). 1951, S. 32-33.
  6. Ruttner, H. Die Milbe Varroa jacobsoni Oudem., ein neuer Bienenparasit. Anzeiger Schädlingskunde, Pflanzenschutz, Umweltschutz 50. 1977, S. 165-169.
  7. Sheldrake, Rupert. Das Gedächtnis der Natur – Das Geheimnis der Entstehung der Formen in der Natur. Bern, München, Wien : Scherz Verlag, 1991 – 4. Auflage.
  8. Luis, A.R., et al. Recapping and mite removal behaviour in Cuba: home to the world’s largest population of Varroa-resistant European honeybees. Scientific Reports 12(1):15597. 2022.
  9. Bruder Adam, Herr Kehrle. Bienenzüchtung – Vortrag am 29.3.1953 in Hannover. Deutsche Bienenwirtschaft 4.Jg. Nr. 5, Nr. 7, Nr. 8. 1953.
  10. Steche, W. Der Eiweisshaushalt des Bienenvolkes und die Nosematose der Honigbiene. Zeitschrift für Bienenforschung 5 (6). 1961, S. 145-176.
  11. Gontarski, H. Biologische Erkenntnisse als Grundlage der Betriebsweise. Südwestdeutscher Imker 4 (11). 1952, S. 342-347.
  12. Mittl, Sigrun. Honigbienen-Immunsystem – Unendliche Stärkung – Wir schreiben das Jahr 2024 auf dem Weg zu Varroaresistenz und Gesundheit. Bienen-Dialoge.de. in Arbeit.