Kann die Fütterung von Zucker- oder Invertzucker-Sirup ein wirklicher Ersatz für den Honig der Honigbienen (Apis mellifera) sein? – 2. ergänzte Fassung
Sigrun Mittl, Dipl.-Biol., Juni 2017 – www.bienen-dialoge.de
- Die Auswirkungen der Zucker- und Invertzucker-Sirup auf die Gesundheit des Honigbienenvolkes
Folgende aktuellen Studien zeigen eine eindeutige Tendenz: Die heute übliche Zucker- und Invertzuckerfütterung nach Entnahme des von den Bienen gesammelten Honigs haben dramatische Auswirkungen auf Immunsystem, Gesundheit und Langlebigkeit der Bienen.
Die Natur stellt den Honigbienen ihre für ihr Überleben notwendigen Stoffe aus den Quellen Nektar, Honig, Pollen und Wasser zur Verfügung. Da die meisten Imker*innen nahezu den gesamte Honig ernten und die Bienen mit Ersatzfutter aufgefüttert werden, damit diese ihre Winterbienen aufziehen und den Winter gut meistern können, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Gabe von Ersatzfutter auf Darm-Gesundheit (Grad der Schädigung der Zellen der Epithelschicht im Mitteldarm. Diese Zellen sind entscheidend für Verarbeitung und Resorption der wichtigen Nährstoffe) und Langlebigkeit der Bienen haben könnte.
Mirjanic et al. [1] untersuchten die Auswirkungen verschiedener Futtermittel-zusammensetzungen auf das Gewebe im Mitteldarm und die Lebensdauer der Honigbienen:
Honig hatte keine negativen Auswirkungen auf die Darmgesundheit der Bienen. Sie leben bei Honigfütterung am längsten, im 3-jährigen Durchschnitt der Untersuchung 27,05 Tage. Ähnlich sahen die Ergebnisse für Enzym-Invert-Zuckersirup (23,74 Tage) und Zuckersirup (21,91 Tage) aus. Den größten Schaden für die Epithelzellen im Darm und signifikant auch für die Lebensdauer der Bienen richtete der „saure“ Invert-Zuckersirup an (12,15 Tage). Die Säureverunreinigungen in diesem Bienenersatzfutter verursachen gefährliche Veränderungen im Darmtrakt, die signifikant zu einer kürzeren Lebensdauer der Honigbienen führt.
Dieselben Zahlen noch einmal in einer Tabelle:
Futtermittel |
Lebensdauer der Bienen in Tagen
|
Honig | 27,05 |
Enzym-Invert-Zuckersirup | 23,74 |
Zuckersirup | 21,91 |
Saurer Invert-Zuckersirup | 12,15 |
Tabelle 1: Auswirkung verschiedener Futtermittel auf die Lebensdauer der Honigbienen. Zusammengestellt aus: Mirjanic et al. (2013) [1]
Ich möchte an dieser Stelle etwas ausführlicher auf das Design dieser Studie sowie auf einige Begriffe eingehen, die bei der Zuckerfütterung eine Rolle spielen.
Die Bienen wurden mit Honig und verschieden hergestellten Sirupen gefüttert, denen zusätzlich z.T. Brau-Hefe (Yeast) und/oder Bierwürze (beer wort bzw. malt) zugegeben wurden.
Es gibt i.d.R. vier Sorten von Sirup-Bienenfutter, nämlich Zucker-Sirup, Invert-Zucker-Sirup („saurer“ und Enzym-Invert-Zucker-Sirup) sowie Glucose-Sirup. Zucker-Sirup wird durch die Vermischung von Zucker und Wasser gewonnen. Invert-Sirup wiederum wird auf unterschiedliche Weise gewonnen. Das Prinzip allerdings ist immer gleich. Rohr- oder Rübenzucker (Saccharose) wird umgewandelt (invertiert) in Fruchtzucker (Fructose) und Traubenzucker (Glucose), indem es hydrolytisch aufgespaltet wird. Das Ergebnis ist Invert-Zucker. Zu dieser Aufspaltung wird neben Wasser ein Katalysator benötigt.
Entweder wird eine kleine Menge Säure (acid) zu in heißem Wasser gelöster Saccharose dazugegeben, was zu „saurem“ Invert-Zucker führt. Oder der Invert-Zucker wird durch die Behandlung des Zuckers mit dem Enzym Invertase (= Saccharase, Sucrase) hergestellt, Enzym-Invert-Zucker-Sirup genannt.
Invertase findet sich u.a.in Hefen, Pflanzen, Pilzen oder Bakterien und findet sich auch als Verdauungsenzym im Darm vieler Lebewesen. Heute wird Invertase allerdings häufig aus gentechnisch veränderten Hefen gewonnen.
Die Herstellung von Glucose- oder Stärke-Sirup (meist aus Weizen oder Mais) erfolgt auf diese Weise: Stärke aus Weizen, Mais, Gerste oder Reis wird ebenfalls hydrolytisch (durch Zugabe von Wasser) mit Hilfe eines Enzyms abgebaut (enzymatische Hydrolyse) zu Glucose (20 Gewichts-%), Maltose (40 Gewichts-%) und Fructose.
Auf der Zutatenliste wird ein Sirup ab einem Gehalt von 5% Fructose als Glucose-Fructose-Sirup bzw. als Fructose-Glucose-Sirup bezeichnet. Der Gehalt an Maltose spielt bei der Bezeichnung keine Rolle.
Der Einsatz von Brauhefe und Bierwürze bzw. Malz und der Zusammenhang mit Malzzucker ist folgender: Beim Bierbrauen werden die Zutaten miteinander vermischt und teilweise durch Hefe biochemisch verändert. Nachdem aus Getreide (vorwiegend Gerste) Malz hergestellt wurde, wird dieses geschrotet. Der eigentliche Brauprozess beginnt mit dem Maischen. Dabei wird Wasser auf etwa 40 °C erwärmt und das geschrotete Malz hinzugefügt. Die so entstandene Maische wird unter ständigem Rühren je nach Verfahren zuerst bis 53 °C erhitzt. Danach erfolgt der Verzuckerungsprozess. Enzyme setzen die Stärke aus dem Malz in Malzzucker um. Daraufhin wird die Maische im Läuterbottich geläutert. Der Malztreber wird von der Würze (so heißt der flüssige, vergärbare Teil der Maische) getrennt.
Die Zugabe von Brauhefe oder Bierwürze (entspricht hier: Malz) erwies sich in allen Fällen als mehr oder weniger schädlich. Hier stellt sich mir die Frage, ob dies auch ein Hinweis auf möglicherweise schädliche Auswirkungen der Fütterung mit Invert-Zucker-Sirup auf Weizenbasis ist?
2. Die Zuckerfütterung beeinflusst die Genaktivität
Dr. Heike Ruff hat im Imkerfreund 2015/9 die Ergebnisse einer interessanten Studie von Wheeler und Robinson (2014) zusammengefasst:
„ Eine frühere Studie hat bereits gezeigt, dass Honig Nährstoffkomponenten enthält, die das Erbgut der Bienen beeinflussen. Diese in Pflanzen gebildeten Substanzen aktivieren verschiedene Gene, die am Abbau von Giftstoffen beteiligt sind. Den stärksten Effekt bei der Aktivierung der Entgiftung-Gene zeigte die p-Cumarinsäure, die auch in Pollen und Propolis enthalten ist. Solche Inhaltsstoffe fehlen natürlich im Saccharose- oder Fructosesirup. Forscher der Universität in Illinois, USA, haben jetzt gezeigt, dass die Folgen der Ersatzfütterung noch viel weitreichender sind. Im Labor fütterten sie zunächst gleichaltrige Sammelbienen entweder mit Honig, Saccharose- oder Fructosesirup. Dann untersuchten sie Gewebe aus einem speziellen Speicherorgan (Fettkörper) der Bienen, in dem die Insekten Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße speichern. Der Vergleich zwischen beiden Gruppen zeigte, dass sich die Aktivität von mehr als hundert Genen deutlich unterscheidet. Betroffen sind unter anderem Gene, die für den Eiweißstoffwechsel und die Weiterleitung von Signalen der Nervenbahnen zuständig sind oder im Immunsystem eine wichtige Rolle spielen. Offensichtlich sind im Honig wichtige Bestandteile enthalten, die die Abwehrkräfte der Bienen verbessern. Die Forscher raten daher zur Zurückhaltung bei der Zuckerfütterung. Weitere Studien sollen nun genauer zeigen, auf welche Weise die verschiedenen Aktivierungsmuster der Gene den Gesundheitszustand der Bienen beeinflussen.“ [2] (Mit freundlicher Genehmigung des Fachmagazins für Imker – ADIZ/die biene/Imkerfreund, Ausgabe 09/2016, S.16).
3. Milchsäurebakterien im Honigmagen der Honigbienen beeinflussen die Gesundheit
Vásquez et al. (2012) aus Schweden haben wilde Honigbienen-Völker untersucht, die sie in der ganzen Welt gesammelt haben. Dabei fanden sie im Honigmagen all dieser Honigbienen eine recht ähnliche Zusammensetzung von Milchsäurebakterien, darunter bisher unbekannte Milchsäurebakterien-Stämme, die Bakterien wie das Faulbrut-Bakterium bekämpfen können. Die Forscherinnen und Forscher stellen die Hypothese auf, dass diese Milchsäurebakterien das fehlende Glied zum Verständnis der Honigbienenverluste darstellen könnten. In früheren Zeiten haben die Menschen die größte natürliche Mischung der Welt von gesunden Bakterien in Form von Honig als natürliches Antibiotikum zu heilerischen Zwecken benutzt. Die Milchsäurebakterien im Honigmagen haben offenbar zwei Funktionen: einerseits wirken ihre Stoffwechselprodukte als Konservierungsmittel und verhindern, dass der Honig von Hefepilzen oder anderen Mikroben befallen wird. Gleichzeitig vertreiben diese Substanzen aber auch Krankheitserreger aus der Bienenkolonie. Wenn es diese Milchsäurebakterien nicht gäbe, würde der Nektar im Honigmagen der Bienen vermutlich innerhalb kürzester Zeit anfangen zu gären. Gleichzeitig könnte der fertig produzierte Honig nicht mehr als natürliches Antibiotikum wirken und dann wären die Bienen und ihre Larven nicht mehr vor Krankheiten geschützt. Milliarden von gesunden Milchsäurebakterien aus 13 verschiedenen Stämmen garantierten Millionen Jahre das Überleben der wildlebenden Honigbienen. Schon frisch geschlüpfte Tiere werden nach wenigen Minuten durch die Arbeiterinnen mit Milchsäurebakterien geimpft. Das zeigt, wie wichtig diese Mikrobenflora für Immunabwehr der Honigbienen ist. Die Forschergruppe vermutet nun, dass den Zuchttieren der natürliche Schutz durch die Milchsäurebakterien fehlt. Die Ursache könnten die Antibiotika-Gaben (USA) sowie die Fütterung mit synthetischem Zucker (USA/Europa) sein, die zu einer Abwehrschwäche der Honigbienen führen können. Interessant ist auch, dass diese gesunden Milchsäurebakterien nur in frischem oder wildem Honig aktiv sind, nicht aber in dem Honig, der weniger als 20% Wasseranteil hat und in den Läden verkauft wird. [3] Hier braucht es dringend Forschungen!
Übrigens: in probiotischen Nahrungsmitteln unserer Zeit werden 1-3 verschiedene Stämme von Milchsäurebakterien verwendet.
4. Die Wirkung der Pollen auf die Honigbienen-Gesundheit
In ihrem Review-Artikel gehen Brodschneider & Crailsheim (2010) ausführlich auf die Notwendigkeit des Vorhandenseins von Pollen für die Gesundheit der Bienen ein und fassen die Ergebnisse vieler Studien zusammen, die ich an dieser Stelle anführen möchte:
Die Gesundheit von Honigbienen-Völkern ist nicht nur durch die Abwesenheit von Krankheiten definiert, sondern auch durch die Anwesenheit von vielen gut ernährten Einzelbienen, welche in der Lage sind, Nachkommen zu produzieren und Stressfaktoren wie Parasiten, Infektionen, Insektiziden und Perioden von Futtermangel zu widerstehen.
Pollen stellt die Hauptquelle von Proteinen, Aminosäuren, Fetten, Stärke, Sterolen (Membranlipide, z.B. Cholesterin), Vitaminen und Mineralien dar und ist von daher ein Hauptfaktor für die Langlebigkeit der einzelnen Bienen. Auf der Ebene des Bienenvolkes ist Pollen ebenfalls wichtig, da er die Produktion des Gelée Royal durch die jungen Arbeiterinnen ermöglicht, mit dem Larven, Königin, Drohnen und ältere Arbeiterinnen gefüttert werden. Fehlt der Pollen, bricht die Brutaufzucht ein. Die Winterbienen können ebenfalls nur durch hohe Mengen an in ihnen enthaltenen Proteinen (v.a. Vitellogenin) in der Haemolymphe so lange leben. Ein Mangel von Protein in der Larval- und Adultnahrung führt zur reduzierten Entwicklung der Brutfutterdrüsen und Ovarien sowie einer kürzeren Lebensdauer. Proteinmangel während der Larvalentwicklung führt darüber hinaus zu beeinträchtigter Thoraxentwicklung, Flugleistung und Verhaltensänderungen.
Die Bienen mixen den frischen Pollen mit Nektar, Honig und Drüsensekreten, um haltbaren Pollen, das sogenannte Bienenbrot, herzustellen, welches im Vergleich zu frischem Pollen einen niedrigeren pH-Wert und weniger Stärke aufweist. Der Nährwert des Bienenbrotes ist höher als der des frischen Pollens; die Unterschiede in der Qualität des Bienenbrotes hängen ab von dem Set der Mikroorganismen, die mit dem jeweiligen Bienenvolk vergesellschaftet sind. Unter anderem wird vermutet, dass Milchsäurebakterien im Honigmagen der Bienen, die an der Fermentation der Pollen beteiligt sind, durch die Produktion von Vitaminen den Qualitätsunterschied mit bedingen.
Gerade im Frühling, wenn nur wenig Pollen und der auch nur von wenigen verschiedenen Pflanzenarten zur Verfügung steht, wird das Bienenbrot zur Brutaufzucht benötigt. Von der Fütterung von Pollen aus anderen Völkern wird wegen des Risikos der Übertragung von Krankheitskeimen dringend abgeraten. [4]
Di Pasquale et al. (2013) haben sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob die Faktoren „Qualität von Pollen verschiedener Pflanzenarten“ und Diversität von Pollen (Bienenbrot aus verschiedenen Pollen-„Arten“) Einfluss auf die Gesundheit der Honigbienen haben. Aus der bisherigen Forschung war schon bekannt, dass die Pollenverfügbarkeit eng zusammenhängt mit den Parametern Stoffwechsel, Immunsystem und Entgiftung (Unschädlichmachen von Pestiziden) der Honigbienen und das Pollen verschiedener Pflanzenarten unterschiedliche %-Anteile von Proteinen, Fetten, Zuckern, Aminosäuren und Antioxidanzien enthalten (=Qualität). Sie ersonnen ein interessantes Experiment und kamen zu sehr spannenden Forschungsergebnissen:
Pollen unterschiedlicher Pflanzenarten haben signifikante Effekte auf die Physiologie der Ammenbienen. Wenn diese mit dem protein-reichsten Pollen der Gattung Rubus (u.a. Brombeere, Himbeere) gefüttert werden, sind ihre Futtersaftdrüsen am meisten entwickelt und der Level an Vitellogenin und Transferrin am höchsten. Die Qualität des Pollens beeinflusst die Robustheit der Bienen gegenüber Krankheitserregern. Die Forscher infizierten Bienen mit dem Nosema ceranae-Erreger. Je nach Pollen-„Art“ stellten sie eine signifikant unterschiedliche Überlebensrate der infizierten Bienen fest. Auch hier zeigten Pollen der Gattung Rubus den höchsten gesundheitlich positiven Effekt. Dies deutet darauf hin, dass die Qualität des Pollens die Fähigkeit der Bienen beeinflusst, einen externen Stress wie das Vorhandensein von Krankheitserregern besser zu bewältigen.
Ein Mix von verschiedenen Pollen-„Arten“ konnte nicht eindeutig als gesundheitsfördernder im Vergleich zu hochwertigen „Einzel“-Pollen nachgewiesen werden. Insgesamt jedoch treffen die Forscher die Aussage, dass, wenn Bienen infiziert sind, die Verfügbarkeit verschiedener Pollenquellen insgesamt eine Nichtverfügbarkeit einzelner hochwertigster Pollen wie z.B. von Rubus ausgleichen können, um die Krankheit zu bekämpfen. [5]
DeGrandi-Hoffmann et al. (2010) haben den Zusammenhang „Protein aus Pollen“ und „Aktivität des Immunsystems“ beleuchtet, allerdings nur unter künstlichen Bedingungen. Ihre Versuchsbienen lebten in kleinen Käfigen, ohne Brut und ohne Volks-Zusammenhang. Von daher muss das Ergebnis noch innerhalb eines ganzen Volkes überprüft werden, weist aber dennoch in eine interessante Richtung: Die Fütterung von Pollen scheint den Titer (Menge) des Flügeldeformationsvirus (DWV) zu beeinflussen. Die DWV-Konzentrationen in den Bienen, die mit Pollen oder Pollen-Ersatzstoffen gefüttert werden, sinken signifikant und dramatisch im Laufe ihrer Lebenszeit im Vergleich zu den Kontroll-Bienen ohne Pollen-Fütterung. Dies spricht dafür, dass Proteine in Bezug auf die Aktivierung des Immunsystems eine spezifische Rolle spielen. In dem Artikel des Forschungsteams wird auch auf die Ergebnisse anderer Forschungen hingewiesen, wonach neben der Varroa-Milbe auch die Toxizität von Pestiziden durch das Vorhandensein eines guten Pollenvorrats bzw. einer Pollen-Fütterung reduziert werden können. [6]
Bezugnehmend auf oben aufgeführte Forschungen kann die Praxis mancher Imker, im zeitigen Frühjahr Pollenwaben zu entnehmen (v.a. bei Zander-Waben), um mehr Platz für Brut zu schaffen, als nicht zielführend angesehen werden.
5. Nektar und Honig als „Drive-In-Apotheke“
Die Gensequenzierung der Honigbiene [7] zeigte, dass die Honigbiene im Vergleich zu anderen Insekten ein kleineres Genset für Immunreaktionen aufweist. Man schloss daraus, dass die Honigbienen andere Mechanismen zum Schutz gegen Pathogene ausgebildet haben mussten und fand inzwischen solche Mechanismen auf der Ebene der Einzelbiene (Individuelle Immunität) wie auch auf der Ebene des Bienenvolkes (Soziale Immunität). Dazu gehören das Hygienische Verhalten [8] (z.B. Ausräumen von kranker Brut), das Sammeln von Propolis) [9], das Auskleiden der Bienenhöhle samt Waben mit Propolis [10] und auch das Sammeln von Nektar verschiedener Pflanzen. Seeley et al. (1990) wiesen darauf hin, dass Bienenvölker unterschiedlich effektiv und profitabel verschiedene Nektarquellen finden und nutzen, ein Prozess der Natürlichen Selektion, der Völker begünstigt, die bestimmte Pflanzen häufiger aufsuchen und ihre Sammler-Kolleginnen mehr für bestimmte Quellen begeistern. [11]
Absolut faszinierend ist ein Verhalten, das Erler et al. (2014) erforscht haben. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Honig schon seit alters her zur Wundbehandlung eingesetzt wird, überprüften sie die Hypothese, nach der der Honig auch für die Bienen selbst eine Hausapotheke zur Bekämpfung von Viren, Bakterien, Pilzen und anderen Pathogenen darstellen könnte. Sie verglichen verschiedene Honige (aus einer Pflanze bzw. aus verschiedenen Pflanzen gewonnen) auf die Fähigkeit, das Wachstum der Bakterien der Amerikanischen (AFB) sowie der Europäischen (EFB) Faulbrut zu verhindern. In Laborversuchen konnten sie nachweisen, dass weder die im Honig vorhandenen Zucker noch das Wasserstoffperoxid für die antibiotischen Effekte verantwortlich sind, sondern verschiedene andere Stoffe, die Molan (1992) [12] und Vásquez et al. (2012) [3] im Honig nachgewiesen hatten, wie Aromatische Säuren, Polyphenole und Flavonoide sowie verschiedene Milchsäurebakterien-Stämme. Sie zeigten, dass verschiedene Pflanzen ganz verschiedene antibakterielle Substanzen zur Verfügung stellen. Die Robinie z.B. zeigt einen starken und hoch signifikanten Unterdrückungseffekt gegen AFB, die Sonnenblume unterdrückte hingegen EFB am besten. Honig, der aus vielen Pflanzen gesammelt wurde, verhinderte aber nahezu vollständig das Wachstum aller AFB- und EFB-Stämme.
Im Laufe eines Jahres sammeln die Honigbienen verschiedenste Nektare und verstauen diese als Honig im Honigkranz. Auf diese Weise steht ihnen eine große Bandbreite von unterschiedlichsten „Arzneien“ für die Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit zur Verfügung, die sie wahrscheinlich je nach Krankheitskeimen zur Fütterung aussuchen. Erler et al. leiten aus dieser Erkenntnis praktische Konsequenzen für die Imkermethoden ab:
- Imker sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass die Produktion von Sortenhonigen möglicherweise negative Auswirkungen auf die Bienengesundheit hat
- Die Zuckerfütterung als Futterquelle für den Winter kann die Anfälligkeit des Volkes, von Krankheitskeimen angesteckt zu werden, verstärken.[13]
Gherman et al. (2014) konnten nachweisen, dass Honig auch gegen den Pilz Nosema ceranae wirkt. Sie infizierten Ammenbienen mit diesem Erreger und beobachteten, dass die Bienen gezielt Honige mit einer höheren antibiotischen Aktivität als Futter auswählten; der Erfolg zeigte sich in einer Verringerung der Pilzinfektion nach Aufnahme des Honigs. [14]
Die Bienen sammeln also nicht nur unterschiedlich viel und verschiedenste Nektare und Pollen je nach Volk, sondern wählen auch je nach Volk unterschiedlich antibiotisch wirksame Nektare und Pollen aus. Diese Fähigkeiten der Selbst-Medikation sorgen über die Natürliche Selektion für die Vererbung dieser Eigenschaften. Die „Gute Imkerliche Praxis“, den Bienen ihren Wintervorrat an Honig und im Frühjahr „überflüssigen“ Pollen zu entnehmen und den Honig gegen Zuckerwasser oder sauren Invertzucker zu ersetzen, muss daher im Sinne der Bienengesundheit dringend überdacht werden.
6. Schon der Heideimker Lehzen plädierte 1880 für mehr Honigfütterung
„Fragen wir‘ nun: Womit füttert man die Bienen spekulativ? Die Antworten werden verschieden lauten. Bei den hannoverschen Imkern aber heißt es ohne Ausnahme: Mit reinem Honig. Ich betone dies: mit reinem Honig! Ist der hannoversche Imker mit der Unreinlichkeit stets im Kriege, so zeigt er die größte Ängstlichkeit bei der Auswahl seines Futterhonigs. Es kommt nur verdeckelter Scheibenhonig in die Honigtonne. Befinden sich offene „Augen“ dazwischen, so wird dieser Honig ausgeschieden. Ebenso ängstlich ist der hannoversche Imker nun auch mit dem Füttern. Glaube keiner, daß unsere Imker ihren Bienen Mehl, Stärkezucker, Ei oder Milch reichen. Sie werden es nie tun. Unsere Züchter wissen bestimmt: Der Honig, den sie in der Tonne haben, ist für die Bienen ein gesundes Futter, aber sie fürchten, daß Kandis, Traubenzucker, Milch etc. ihren Bienen Gefahr bringen können. Wer nur Berufssimker ist, wer ein bedeutendes Kapital in die Bienen gesteckt hat, wer von den Bienen leben will, geht nur den Weg Nro.Sicher. Die erste Regel für einen Imker ist deshalb: Sorge dafür, daß Du auf mehrere Jahre Futterhonig in Vorrat hast!“ [15]
7. Welches Winterfutter ist also das Beste?
Jedes Kilo Honig, das den Bienen belassen wird, dient in hohem Maße ihrer Gesundheit und stellt ohne Frage das beste Winterfutter dar. Die Wiederbelebung der Futtertonne, wie sie Herr Lehzen beschreibt, wäre ein riesiger Gewinn.
Eine gute Alternative wäre der enzymbasierte Invert-Zucker-Sirup, den meines Wissens nach im Moment (2015-2017) nur HOSTETTLER Spezialzucker AG in der Schweiz mit der Artikelnummer BI 7000.708 (Bio-Futtersirup) herstellt und vertreibt. https://www.hostettlers.ch/bio-futtersirup_shop_de.html
Die drittbeste Variante nach oben genannter Studie stellt der einfache Zucker-Sirup dar. Viele ImkerInnen scheuen den großen Aufwand, (Bio-)-Zucker wieder selbst anzurühren. Eine Erleichterung verspricht der „Winterfutterautomat“ von Herrn Spiegel, den er vor etwa 40 Jahren einem „alten Hasen“ abgeguckt hat. Die Zuckerfutterlösung in dieser Tonne ist bequem haltbar. Herr Spiegel hat den Automat weiterentwickelt. Ich habe mit Herrn Spiegel einen workshop zum Bau dieses Futterautomaten veranstaltet. Das Video dazu finden Sie auf meinem youtube-Kanal bienen-dialoge unter folgendem link. Viel Freude damit!
https://www.youtube.com/watch?v=o-bDo-kPRew&list=UUFLCkzO7zWubjtE9PPy0KPA&index=38
Literaturverzeichnis
[1] | G. Mirjanic, I. T. Gajger, M. Mladenovic und Z. Kozaric, „IMPACT OF DIFFERENT FEED ON INTESTINE HEALTH OF HONEY BEES,“ in http://www.apimondia.com/congresses/2013/Biology/Symposia/Impact%20Of%20Different%20Feed%20On%20Intestine%20Health%20Of%20Honey%20Bees%20-%20Goran%20Mirjanic.pdf, Kyiv, Ukraine, 2013. |
[2] | M. M. Wheeler und G. E. Robinson, „Diet-dependent gene expression in honey bees: honey vs. sucrose or high fructose corn syrup,“ 2014. [Online]. Available: http://www.nature.com/articles/srep05726. [Zugriff am 11 Juli 2015]. |
[3] | A. Vásquez, E. Forsgren, I. Fries, R. J. Paxton, E. Flaberg, L. Szekely und T. Olofsson, „Symbionts as Major Modulators of Insect Health: Lactic Acid Bacteria and Honeybees,“ PLoS ONE 7(3): e33188, 2012. |
[4] | R. Brodschneider und K. Crailsheim, „Nutrition and health in honey bees,“ Apidologie 41, pp. 278-294, 2010. |
[5] | G. Di Pasquale, M. Salignon, Y. Le Conte, L. Belzunces, A. Decourtye, A. Kretzschmar, S. Suchail, J.-L. Brunet und C. Alaux, „Influence of pollen nutrition on honey bee health: do pollen quality and diversity matter?,“ PLoS ONE 8(8): e72016.https://doi.org/10.1371/journal.pone.0072016, 2013. |
[6] | G. DeGrandi-Hoffman, Y. Chen, E. Huang und M. Huang, „The effect of diet on protein concentration, hypopharyngeal gland development and virus load in worker honey bees (Apis mellifera L.),“ Journal of Insect Physiology 56, pp. 1184-1191, 2010. |
[7] | Honeybee Genome Sequencing Consortium, „Insights into social insects from the genome of the honeybee Apis mellifera,“ Nature 443, pp. 931-949, 2006. |
[8] | W. Rothenbuhler, „Behaviour genetics of nest cleaning in honey bees. I. Responses of four inbred lines to disease-killed brood,“ Animal Behaviour 12, pp. 578-583, 1964. |
[9] | M. Simone, J. Evans und M. Spivak, „Resin Collection And Social Immunity in Honey Bees,“ Evolution 63 (11), pp. 3016-3022, 2009. |
[10] | T. Seeley und R. Morse, „The Nest of the Honey Bee (Apis Mellifera L.),“ Insectes Sociaux 23 (4), pp. 495-512, 1976. |
[11] | T. Seeley, S. Camazine und J. Sneyd, „Collective decision-making in honey bees: how colonies choose among nectar sources,“ Behavioral Ecology and Sociobiology 28, pp. 277-290, 1991. |
[12] | P. Molan, „The antibacterial activity of honey. 1. The nature of the antibacteriel activity,“ Bee World 73, pp. 5-28, 1992. |
[13] | S. Erler, A. Denner, O. Bobis, E. Forsgren und R. Moritz, „Diversity of honey stores and their impact on pathogenic bacteria of the honeybees, Apis mellifera,“ Ecology and Evolution 20 (4), pp. 3960-3967, 2014. |
[14] | B. Gherman, A. Denner, O. D. D. Bobis, L. Marghitas, H. Schlüns, R. Moritz und S. Erler, „Pathogen-associated self-medication behavior in the honeybee Apis mellifera,“ Behavioral Ecology and Sociobiology 68 (11), pp. 1777-1784, 2014. |
[15] | G. H. Lehzen, Die Hauptstücke aus der Betriebsweise der Lüneburger Bienenzucht, Hannover, 1880. |
Herr Georg Peukert hat mich vor einigen Wochen angeschrieben, nachdem er meinen Artikel über die Zuckerfütterung im Bulletin Nr.7 von FREETHEBEES gelesen hat. Er hat mir einige seiner Artikel zugemailt, die ich hier dankenswerterweise und sehr gerne zugänglich mache. Zugleich machte er mich darauf aufmerksam, dass die USA seit 1.10.2017 gentechnisch veränderten Zucker-Sirup in die EU und nach Deutschland einführen dürfen, der sich Isoglucose nennt. Er darf in allen Lebensmitteln verwendet werden und hat nicht absehbare Stoffwechselprobleme für Mensch und Tier zur Folge. Bitte informieren Sie sich über diese Isoglucose, die auch für Bienenfutter eingesetzt werden wird!
Georg_Peukert_Das Land, wo Milch und Honig fließt_PDF